4. Religionen und das Gesetz in den Ländern Europas

Einleitung
In der heutigen Zeit liberaler Demokratie muss die staatliche Politik grundlegende Rechte stets respektieren – wann immer Politik gemacht wird, Gesetze erlassen werden oder Politik umgesetzt und angewandt wird. Mit anderen Worten: Grundlegende Rechte bilden den Rahmen, innerhalb dessen Staaten agieren und ihre Politik, Gesetzgebung und damit verbundene Tätigkeiten entwickeln müssen. Dies ist ebenso der Fall, soweit es die kontinuierlich zunehmende Vielfalt der Religionen anbelangt, mit der sich die Staaten konfrontiert sehen.





Quelle 1

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Art. 18

„Jeder hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht schließt die Freiheit ein, seine Religion oder seine Weltanschauung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seine Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu bekennen.“

http://www.un.org/en/documents/udhr/index.shtml#a18




Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (auch UN-Menschenrechtscharta, kurz AEMR) stellt die erste Erklärung der Menschenrechte auf internationaler Ebene dar – ältere Erklärungen waren lediglich auf nationaler Ebene verkündet worden. Bei diesem Text handelt es sich um eine nicht-bindende Erklärung, die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen 1948 in Paris verabschiedet wurde, zum Teil als Reaktion auf die Gräueltaten und massiven Menschenrechtsverletzungen während des Zweiten Weltkriegs. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte fordert die Mitgliedstaaten auf, eine Reihe von Menschenrechten, Zivilrechten sowie ökonomischen und sozialen Rechten voranzubringen, und betont dabei, dass diese Rechte ein wichtiger Bestandteil für eine „Grundlage der Freiheit, Gerechtigkeit und des Friedens auf der Welt sind.“
Der 18. Artikel spricht das Prinzip der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit an. Er ist die Basis und der Referenztext für alle übrigen internationalen Texte zu diesem Thema.
Religion wird nicht allein auf die Verehrung reduziert: Vielmehr macht der Text deutlich, dass Glaubens- und Religionsfreiheit nicht nur ein Recht darstellen, soweit es das Individuum anbetrifft (einer Religion anzugehören oder auch nicht), sondern auch in gemeinschaftlicher Verehrung und in der Lehre zum Ausdruck gebracht werden können. Jedes Gesetz, das individuelle oder gemeinschaftliche Ausdrucksformen des Glaubens ohne triftigen Grund einschränkt (wie etwa das Aufrechterhalten der öffentlichen Ordnung), würde dementsprechend einen Verstoß gegen die Erklärung darstellen.
Dieser Artikel wurde in einigen islamischen Ländern als problematisch aufgefasst (wie etwa in Saudi-Arabien, das der Deklaration nicht zugestimmt hat), da er das Recht auf Wechsel der Religion postuliert, einer Möglichkeit, die dem islamischen Gesetz (shari'ah) widerspricht, demzufolge ein muslimischer Gläubiger sich vom Islam nicht abkehren darf, da er/sie sonst zum Abtrünnigen wird. 
Die Durchsetzung der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit stellt Gleichheit zwischen allen Bürgern eines demokratischen Staates sicher, unabhängig davon, ob sie einer Religion oder Bekenntnisgemeinschaft angehören oder nicht. Dabei ist es nicht Voraussetzung, dass der Staat selbst völlig unabhängig von einer bestimmten Religion ist. In einigen europäischen Ländern wie England oder Dänemark ist eine bestimmte Kirche etabliert (d. h. sie hat offiziellen Status), aber dennoch nehmen die Gläubigen anderen Bürgern gegenüber keine privilegierte Stellung ein.
Die Texte der UN betonen auch die Wichtigkeit von Toleranz: Toleranz ist gleichbedeutend damit, andere zu akzeptieren und sich mit wechselseitigem Respekt und Verständnis zu begegnen. Die Erklärung der UN zu den Prinzipien der Toleranz definiert diese als „eine aktive Einstellung“ und als „Schlußstein, der die Menschenrechte, den Pluralismus (auch den kulturellen Pluralismus), die Demokratie und den Rechtsstaat zusammenhält.”
Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten zur „Umsetzung von sozialwissenschaftlichen Forschungsprogrammen und von Lehrplänen zu den Themen Toleranz, Menschenrechte und Gewaltlosigkeit” und zur Ausbildung „solidarisch und verantwortlich denkender Bürger, die offen sind für andere Kulturen, die den Wert der Freiheit schätzen, die die Menschenwürde ebenso wie zwischenmenschliche Unterschiede achten und die in der Lage sind, Konflikte zu vermeiden oder sie gewaltfrei zu lösen.” Declaration of Principles on tolerance (UNESCO, 1995)

Quelle 2

EU-Richtlinien zur Förderung und zum Schutz der Religionsfreiheit und des religiösen Glaubens (Paragraph 31)

Treffen des Rats für AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN – Luxemburg, 24. Juni 2013
Die neuen Richtlinien stellen umfassende und praktische Arbeitshilfen für Offizielle der EU und für Delegationen und Botschaften der Mitgliedstaaten dar, mit deren Hilfe sie nicht nur ein Verständnis von Religions- oder Glaubensfreiheit gewinnen, sondern diese auch schützen und fördern können – auch, indem sie ein Bewusstsein für dieses Recht in Drittstaaten schaffen. Die Richtlinien stärken die Leistungsfähigkeit der EU, die Religionsfreiheit zu verteidigen, indem sie sowohl auf Verletzungen der Religions- oder Glaubensfreiheit reagieren, und die strukturellen Ursachen thematisieren, die zu derartigen Verletzungen führen:
31. Die Religions- oder Glaubensfreiheit sowie die Meinungsfreiheit sind miteinander in Zusammenhang stehende und sich wechselseitig verstärkende Rechte, die alle Personen schützen – nicht Religionen oder Glaubensrichtungen als solche – und dabei auch das Recht auf freie Meinungsäußerung zu allen Religionen und Glaubensrichtungen schützen. Zensur und Beschränkungen der Veröffentlichung oder Verbreitung von Literatur oder von Websites, die sich mit dem Thema Religion oder Glauben auseinandersetzen, sind allgemein als Verletzungen dieser beiden Freiheitsrechte aufzufassen, und beschneiden die Möglichkeit von Individuen oder Gemeinschaften, ihre Religion oder ihren Glauben auszuüben. Einschränkungen des Rechts, Meinungen zum Thema Religion oder Glauben zu äußern, stellen für Angehörige einer Religion oder einer Glaubensminderheit eine erhebliche Verletzung dar, wirken sich aber auch auf Mehrheiten aus, und das nicht nur soweit Personen betroffen sind, die religiöse Auffassungen vertreten, die nicht der üblichen Tradition entsprechen. Alles in allem kommt der Religions- und Glaubensfreiheit sowie der Meinungsfreiheit eine wichtige Rolle im Kampf gegen alle Formen der Intoleranz und Diskriminierung von Religion und Glauben zu.

Council of the European Union
http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_Data/docs/pressdata/EN/foraff/137585.pdf
FOREIGN AFFAIRS Council meeting - Luxembourg, 24 June 2013. In deutscher Übersetzung von Kerstin Bachmeier.

Am 24. Juni 2013 verabschiedete der Rat der Europäischen Union die EU-Richtlinien zur Förderung und Sicherung der Religions- und Glaubensfreiheit, in denen erneut bekräftigt wird, dass die EU sich der Förderung der Religions- und Glaubensfreiheit in ihrer Menschenrechtspolitik nach außen verpflichtet.
Diese Richtlinien geben Offiziellen der EU und den Mitgliedstaaten praktische Ratschläge an die Hand, wie Verletzungen der Religions- und Glaubensfreiheit verhindert und konkrete Fälle angegangen werden können und wie auf Verletzungen unabhängig davon, wo sie verübt werden, effektiv reagiert werden kann, um diese Freiheit in der Tätigkeit der EU nach außen hin zu schützen und zu fördern. Sie stellen weiterhin auch klar, dass die eigene Position eine neutrale ist, indem sie deutlich machen, dass „die Vorzüge der verschiedenen Religionen oder Glaubensrichtungen, oder der Mangel an diesen, unbeachtet bleiben sollen, das Recht darauf, zu glauben oder nicht zu glauben jedoch in jedem Fall aufrechterhalten wird. Die EU ist unparteiisch und steht nicht mit einer bestimmten Religion oder einem bestimmten Glauben in Verbindung.“
Die Richtlinien verweisen auf Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Quelle 1) und fügen sowohl dem Grundsatz der Religions- wie auch dem der Meinungsfreiheit als fundamentalen Rechten eines jeden Menschen weitere Ergänzungen hinzu. Paragraph 31 betont die wechselseitige Abhängigkeit zwischen der Meinungsfreiheit und der Religionsfreiheit und stellt klar, dass das Recht auf kritische Meinungsäußerung zum Thema Religion ganz allgemein wie auch im Hinblick auf bestimmte Glaubensrichtungen im Besonderen gesetzlich zu schützen ist. Ein wichtiger Punkt ist auch die Tatsache, dass dieses Recht eine Absicherung für Personen, nicht aber für Weltanschauungen oder Religionen insgesamt darstellt. Anhand eben dieses Punkts wird ein besseres Verständnis dafür möglich, wie Gerichte die juristischen Gründe von Klägern auffassen, die entweder religiöse Einzelpersonen oder religiöse Gremien verteidigen wollen.
Wenn es um die Auseinandersetzung mit dem Thema Religions- oder Glaubensfreiheit geht, sichert die EU acht vorrangigen Aktionsbereichen besondere Aufmerksamkeit zu, deren Inhalte im Einzelnen genauer dargelegt werden. - Mehr auf : http://www.religiousfreedom.eu/about-us/#sthash.SjXmLIuQ.dpuf EU Guidelines on the promotion and protection of freedom of religion or belief (pdf)

Quelle 3

Schlussfolgerungen aus den Prinzipien von Toledo zum Unterrichten über Religion und Weltanschauungen an öffentlichen Schulen (OSCE, 2007)

Wissen zum Thema Religion und Glauben kann das Bewusstsein dafür, wie wichtig Respekt für das Recht auf Religion und Glauben eines jeden Menschen ist, verstärken, demokratische Bürgerrechte fördern, Verständnis für gesellschaftliche Vielfalt voranbringen und zugleich den sozialen Zusammenhalt verbessern. Somit birgt Wissen zum Thema Religion und Glauben wertvolles Potential, wenn es um das Abbauen von Konflikten geht, die auf einem Mangel an Verständnis für die Glaubensrichtung von anderen beruhen, und hilft dabei, Respekt für die Rechte anderer zu fördern. Wissen zum Thema Religion und Glauben ist ein wesentlicher Bestandteil einer hochwertigen Ausbildung. Es ist notwendig, um große Teile der Geschichte, Literatur und Kunst zu verstehen und kann dabei helfen, den kulturellen Horizont zu erweitern und das Verständnis für die Komplexität von Vergangenheit und Gegenwart zu vertiefen. Religion und Glauben zu unterrichten ist am effektivsten, wenn der Unterricht mit Anstrengungen einhergeht, Respekt für die Rechte anderer zu vermitteln, selbst wenn Meinungsverschiedenheiten zu den Religionen und Glaubensrichtungen bestehen. Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit ist ein universales Recht, das eine Verpflichtung zum Schutz der Rechte anderer mit sich bringt, einschließlich des Respekts für die Würde aller Menschen.
Die persönlichen religiösen (oder nicht-religiösen) Ansichten eines Individuums sind kein hinreichender Grund, dieser Person zu untersagen, über Religion oder Glauben zu unterrichten. Die wichtigsten Überlegungen in dieser Hinsicht sollten sich auf die fachliche Kompetenz beziehen, wie auch allgemein auf die Einstellung der Person den Menschenrechten gegenüber oder der Religions- und Glaubensfreiheit im Besonderen.
Eventuell sind angemessene Anpassungen der Politik als Reaktion auf besondere religiöse Bedürfnisse notwendig, um die Verletzung der Religions- und Glaubensfreiheit zu verhindern. Selbst wenn dies nicht ausdrücklich gesetzlich verlangt wird, tragen derartige Anpassungen sowie Flexibilität in dieser Hinsicht dazu bei, ein Klima der Toleranz und des gegenseitigen Respekts zu schaffen.
Wann immer Pflichtkurse zum Thema Religion und Glauben ausreichend neutral und objektiv gehalten werden, stellt die Verpflichtung zur Teilnahme an eben diesen Kursen keine Verletzung der Religions- und Glaubensfreiheit dar (wobei es den Staaten in dieser Konstellation freisteht, es teilweise oder ganz zu erlauben, diesen Kursen fernzubleiben).

Organization for Security and Co-operation in Europe (OSCE)
http://www.osce.org/odihr/29154

Wie auch andere europäische Institutionen versucht die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) das Verständnis zwischen den Völkern und den Respekt für die grundlegenden Rechte, wie sie in der UN-Menschenrechtscharta (siehe Quelle 1) festgelegt sind, zu fördern. Insbesondere stellt die Organisation eine Errungenschaft der Schlussakte von Helsinki dar (die Schlussakte von Helsinki, oder die Helsinki Deklaration war die Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die 1975 in Helsinki, Finnland, abgehalten wurde). Diese Schlussakte, die von 35 Staaten, einschließlich den USA, Kanada und den meisten europäischen Staaten, abgesehen von Albanien, unterzeichnet wurde, stellt einen Versuch dar, die Beziehungen zwischen dem kommunistischen Block und dem Westen zu verbessern. Unter den 10 Leitprinzipien, die in die Schlussakte aufgenommen wurden, betrifft das siebte den Respekt der Menschenrechte und der grundlegenden Freiheiten, die auch die Gedankens-, Gewissens-, Religions- oder Überzeugungsfreiheit umfassen.
Neben anderen Funktionen hat die OSZE eine langjährige Rolle in der Bewahrung des Friedens zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppierungen in Bosnien und Herzegowina seit dem Ende des Bürgerkrieges 1995 gespielt (die OSZE ist an die Stelle der UNO getreten, da die bosnische Führung dieser wegen der Unfähigkeit der UN-Truppen, den Krieg aufzuhalten und die Zivilbevölkerung zu schützen, mit tiefer Verachtung gegenüber stand). Im Einklang mit der Aufgabe der Konfliktprävention der OSZE und ihrer Verpflichtung, eine Kultur des gegenseitigen Respekts und Verständnisses zu fördern, hat der Beirat der Experten für Religions- und Glaubensfreiheit im Gremium für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (englisch abgekürzt ODIHR) zusammen mit anderen Experten und Wissenschaftlern sich 2007 in Toledo, Spanien, versammelt, um Ansätze eines Unterrichtens zum Thema Religion und Glauben an öffentlichen Schulen in den OSZE-Ländern zu diskutieren. Die teilnehmenden Experten gehörten einer Vielzahl verschiedener Disziplinen an und waren teils führende Wissenschaftler, Verantwortliche der Politik, Pädagogen, Juristen und Stellvertreter zwischenstaatlicher und nichtstaatlicher Organisationen. Die Zusammenkunft von Toledo setzte einen umfassenden Prozess in Gang, der nachfolgende Versammlungen in Bukarest und Wien, aber auch eine weitreichende Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern des Beirats, dem Gesamtgremium und anderen Experten umfasste, und zur Ausarbeitung der Leitprinzipien zum Unterrichten über Religionen und Weltanschauungen an öffentlichen Schulen führte.
Mehr dazu unter: http://www.osce.org/odihr/29154?download=true

Der vorliegende Abschnitt des Texts konzentriert sich auf den Nutzen von Kenntnissen zum Thema Religion und Glauben und das diesem Wissen innewohnende Potential für den Abbau von Konflikten, die aus einem Mangel an Verständnis für den Glauben anderer herrühren. Um diesen Nutzen erfüllen zu können, sollte das Wissen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen und unabhängig von bestimmten religiösen Überzeugungen sein.

Quelle 4

Europäischer Gerichtshof stützt das französische Verschleierungsverbot

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat ein französisches Gesetz bestätigt, das es Frauen verbietet, in der Öffentlichkeit ihr Gesicht zu verschleiern und damit das Recht muslimischer Frauen auf das Tragen einer Burka unterbindet. Die Klage war im vergangenen Jahr von einer 24-jährigen Frau eingereicht worden.
Nachdem der Fall länger als ein halbes Jahr verhandelt worden war, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (ECHR) am Dienstag entschieden, dass das französische Gesetz, das es Menschen verbietet, in der Öffentlichkeit ihr Gesicht zu verhüllen, keine Menschenrechtsverletzung darstellt.
Der Gerichtshof in Straßburg war unmittelbar nach der Entscheidungsverkündung für einen ersten Kommentar nicht zu erreichen.
Eine 24 Jahre alte Frau hatte im vergangenen Jahr Klage eingereicht mit dem Argument, das französische Gesetz verstoße gegen ihr Recht auf Privatsphäre, ihre Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit. Ihre Entscheidung, einen Niqab zu tragen – einen Gesichtsschleier mit einem Sichtfeld für die Augen – sei ihre eigene gewesen und ihr nicht von ihrer Familie oder ihrem Ehemann aufgezwungen worden, sagte sie. Das relevante französische Gesetz war 2011 unter dem damaligen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy erlassen worden und fand die Unterstützung der aktuellen sozialistischen Regierung unter Staatspräsident François Hollande. Verletzungen des Verbots werden mit einer Strafgebühr von 150 Euro (203$) geahndet, wenn die Trägerinnen einen Ganzkörperschleier (Burka) oder einen Schleier tragen, der ihr ganzes Gesicht abgesehen von den Augen bedeckt.
Im Zuge der Verhandlung beschrieb der britische Anwalt der Klägerin, Tony Muman, seine Mandantin als „vorbildliche französische Bürgerin mit einer Universitätsausbildung“. „Sie spricht mit Leidenschaft über ihr Land…sie ist eine Patriotin“, sagte Muman.
Während in Frankreich teils argumentiert wird, das Gesetz befreie muslimische Frauen, die mitunter gezwungen werden, ihr Haar und ihr Gesicht zu bedecken, entgegnen Muslime, das Verbot stigmatisiere ihre Religion. Vergangene Woche bestätigte das höchste Berufungsgericht Frankreichs eine Entscheidung zugunsten des Gesetzes als Ergebnis eines separaten Grundsatzrechtsstreits, bei dem es um eine Mitarbeiterin einer Kindertagesstätte ging, die entlassen worden war, weil sie sich geweigert hatte, ihr Kopftuch während der Arbeit abzulegen. Die Klägerin Fatima Afif hatte ihre Stelle 2008 verloren. In seiner Entscheidung bezog sich das Gericht auf die internen Regelungen der Kindertagesstätte, die festlegten, dass die Religionsfreiheit den Prinzipien der Säkularisation und Neutralität nicht im Wege stehen dürfe. kms/se (AFP, epd, dpa)

From "Deutsche Welle"
Retrieved in
http://www.dw.de/european-court-upholds-french-burqa-ban/a-17748671 (24/07/2015)

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (englisch abgekürzt ECtHR) ist ein supranationaler bzw. internationaler Gerichtshof, der auf der Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention eingerichtet wurde, und dem alle 47 Mitgliedsstaaten des Europarats beigetreten sind. Der Gerichtshof hat seinen Sitz in Straßburg, Frankreich. Er hört Beschwerden an, die sich auf mutmaßliche Verstöße gegen eines oder mehrere der Menschenrechte beziehen, die in der Konvention und ihren Protokollen enthalten sind. Eine Beschwerde kann von einem Individuum, einer Gruppe von Individuen oder von einem oder mehreren der Mitgliedsstaaten vorgebracht werden, und zusätzlich zu seiner Rechtsprechung kann der Gerichtshof auch beratend Stellung nehmen.
Im vorliegenden Fall betraf die Beschwerde ein französisches Gesetz von 2011, das ein Verbot der Gesichtsverschleierung im öffentlichen Raum beinhaltete. Das Tragen eines Niqab (ein muslimischer Gesichtsschleier, der das Gesicht vollständig abdeckt), das in der politischen und sozialen Debatte Frankreichs sehr kontrovers diskutiert wurde, wäre demnach verboten.
Im Vorfeld der Abstimmung über dieses Gesetz argumentierten muslimische Interessengruppen mit einer Verletzung der Religionsfreiheit insbesondere deshalb, weil die Regelung außerhalb der eigenen Wohnung überall zur Anwendung käme (wie etwa auf öffentlichen Straßen), während das Verbot „sichtbarer religiöser Symbole“ an Schulen (im Rahmen eines 2004 verabschiedeten Gesetzes) sich nur auf öffentliche Einrichtungen wie Schulen, und nicht den öffentlichen Raum im Allgemeinen bezieht.
Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte war vom Respekt für das Prinzip der Subsidiarität geleitet: der Gerichtshof respektierte, dass jeder europäische Staat eine Art nationale Sensibilität für ein bestimmtes Thema haben kann (im Falle Frankreichs der Trennungsschutz von Kirche und Staat) und wollte daher nicht in eine solche Entscheidung eingreifen.