8. Klöster und kirchliche Orden

Einführung
Mönche und Nonnen gehören zum Ordensklerus: Sie sind Geistliche, die sich einer gewissen, ihr Leben bestimmenden Regel unterworfen haben. Der Ordensklerus besteht aus kirchlichen Orden und Vereinigungen, die sich in besagten Regeln bzw. deren Interpretationen unterscheiden. Das betrifft das katholische Verständnis dieser Lebensweise. Tatsächlich kennen die orthodoxen und orientalischen Kirchen nur das Klostertum, welches andere Rahmenbedingungen hat. Die protestantische Reformation versuchte gar, klösterliche und kirchliche Orden ganz abzuschaffen und bewirkte dadurch das Verschwinden beinahe aller Ausprägungen davon in dieser Konfession. Dennoch sind einige von ihnen übrig geblieben, darunter lutherische und anglikanische, und seit dem 19. Jahrhundert erlebt das protestantische Kloster sogar wieder einen Aufschwung, aus dem beispielsweise die Taizé-Gemeinde hervorging (Siehe Christentum I, S. 8).
Quelle 1

Plan von Sankt Gallen



Der Plan von der schweizerischen Abtei Sankt Gallen ist einzigartig. Er wurde in der Schreibstube der Abtei Reichenau in Deutschland im 9. Jahrhundert gezeichnet und dem Abt des Klosters von Sankt Gallen gewidmet, wo das Dokument seitdem verweilt. Er ist jedoch lediglich eine idealistische Vision: Das Kloster, das er beschreibt, wurde nie gebaut. Dennoch liefert der Plan unschätzbar wertvolle Informationen über das tägliche Leben im Mittelalter und die Rolle eines Klosters zu dieser Zeit..

Legende:

Klosterkirche:
A. Großer Altar
B. Altar des Heiligen Paulus
C. Altar des Heiligen Petrus
D. Kirchenschiff
E. Paradies
F. Türme

Klösterliche Gebäude:
G. Kloster
H. Wärmestube, mit Schlafraum treppauf
I. Necessarium
J. Haus des Abtes
K. Speisesaal
L. Küche
M. Bäckerei und Brauerei
N. Keller
O. Salon

P1. Skriptorium und Bücherei
P2. Sakristei
Q. Haus der Novizen:
1. Kapelle;
2. Speisesaal;
3. Wärmestube;
4. Schlafsaal;
5. Bettenzimmer;
R. Krankenstation: 1-6 wie oben bei „Haus der Novizen“
S. Haus des Arztes
T. Medizinischer Garten
U. Haus des Blutlassens
V. Schule
W. Rooms of the schoolmaster
X1. Anwesen für die vornehmen Gäste
X2. Anwesen für die Armen
Y. Anwesen für die Mönche zu Besuch

Arbeitsbereich:
Z. Fabrik
a. Dreschboden
b. Werkstatt
c. Mühlen
d. Brennofen
e. Pferdestall
f. Ochsenstall
g. Ziegenstall
h. Schweinestall
i. Schafstall
k. Schlafraum für die laikalen Brüder (Arbeiter und Diener)
l. Haus des Gärtners
m. Hühnerstall
n. Haus des Geflügelmeisters
o. Garten
q. Bäckerei für die Sakramentale
s. Küchen
t. Bad

Moderne Version des Originalplans.
Wikimedia Commons. Zu verwenden unter den Bedingungen der :
GNU Free Documentation License
lizenzfrei Abrufbar unter: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:St_gall_plan.jpg (Zugriff am 8.12.2014)

Quelle 2

Regula Bullata

Die Bulle Solet annuere ist Papst Honorius‘ III. (Pontifikat von 1216-1227) Bestätigung der Regel von Franz von Assisi, die daher als Regula bullata („von einer Bulle bekräftigte Regel“) bekannt ist. Eine solche Bestätigung war von Nöten, da diese Regel aus dem Nichts formuliert wurde und sich nicht auf eine überarbeitete oder adaptierte, bereits bestehende Regel bezog. Die Forderung einer hierarchischen Kontrolle, das Bündnis mit Rom und die unaufdringliche Art und Weise der Arbeit des Franziskanerordens sind dem Bestreben geschuldet, sich nicht den Vorwurf der Häresie einzuhandeln. Diese Regel umschreibt die Grundcharakteristika des Ordens: Absolute Armut und reines Gebet.

I Kapitel
[…]
1. Regel und Leben der Minderen Brüder ist dieses, nämlich unseres Herrn Jesu Christi heiliges Evangelium zu beobachten durch ein Leben in Gehorsam, ohne Eigentum und in Keuschheit.
2. Bruder Franziskus verspricht Gehorsam und Ehrerbietung dem Herrn Papst Honorius und seinen rechtmäßigen Nachfolgern sowie der Römischen Kirche.
3. Und die anderen Brüder sollen verpflichtet sein, dem Bruder Franziskus und dessen Nachfolgern zu gehorchen.
II Kapitel
Von denen, die dieses Leben annehmen wollen und wie sie aufgenommen werden sollen
1. Die etwa dieses Leben annehmen wollen und zu unseren Brüdern kommen, sollen von ihnen zu ihren Provinzialministern geschickt werden; diesen allein und sonst niemand sei die Befugnis zugestanden, Brüder aufzunehmen.
2. Die Minister aber sollen sie sorgfältig über den katholischen Glauben und die Sakramente der Kirche prüfen. […]
16. Und alle Brüder sollen geringwertige Kleidung tragen und sollen sie mit grobem Tuch und anderen Tuchstücken verstärken können mit Gottes Segen.
17. Ich warne und ermahne sie, jene Leute nicht zu verachten, noch zu verurteilen, die sie weiche und farbenfrohe Kleider tragen (vgl. Mt 11,8) und sich auserlesener Speisen und Getränke bedienen sehen, sondern vielmehr soll jeder sich selbst verurteilen und verachten.
VI Kapitel
Daß die Brüder nichts als ihr Eigentum erwerben dürfen, sowie vom Bitten um Almosen und von den kranken Brüdern
1. Die Brüder sollen sich nichts aneignen, weder Haus noch Ort noch irgendeine Sache.
2. Und gleichwie Pilger und Fremdlinge (vgl. 1 Petr 2,11) in dieser Welt, die dem Herrn in Armut und Demut dienen, mögen sie voll Vertrauen um Almosen gehen-,
3. und sie dürfen sich nicht schämen, weil der Herr sich für uns in dieser Welt arm gemacht hat (vgl. 2 Kor 8,9).
4. Dies ist jene Erhabenheit der höchsten Armut, die euch, meine geliebtesten Brüder, zu Erben und Königen des Himmelreiches eingesetzt, an Hab und Gut arm gemacht, durch Tugenden geadelt hat (vgl. Jak 2,5).
5. Diese soll euer Anteil sein, der hinfährt in das Land der Lebenden (vgl.Ps 141,6).
6. Dieser hanget, geliebteste Brüder, ganz und gar an und trachtet um des Namens unseres Herrn Jesu Christi willen auf immer unter dem Himmel nichts anderes zu haben. […]
IX Kapitel
Von den Predigern
1. Die Brüder sollen im Bistum eines Bischofs nicht predigen, wenn es ihnen von diesem untersagt worden ist.
2. Und auf keine Weise getraue sich irgendein Bruder, dem Volke zu predigen, er sei denn vom Generalminister dieser Brüderschaft geprüft und bestätigt und es sei ihm von diesem das Predigtamt gestattet worden.
3. Ich warne auch und ermahne diese Brüder, daß sie in der Predigt, die sie halten, wohlbedacht und lauter reden sollen (vgl. Ps 11,7, 17,31) zum Nutzen und zur Erbauung des Volkes,
4 indem sie zu ihnen sprechen von den Lastern und Tugenden, von der Strafe und Herrlichkeit mit Kürze der Rede, weil der Herr auf Erden sein Wort kurz gefaßt hat (vgl. Röm 9,28). […]
XII Kapitel Von denen, die unter die Sarazenen und andere Ungläubige gehen
1. Alle Brüder, die auf göttliche Eingebung hin unter die Sarazenen oder andere Ungläubige gehen wollen, sollen dazu von ihren Provinzialministern die Erlaubnis erbitten.
2. Die Minister aber sollen nur denen die Erlaubnis zu gehen erteilen, die sie tauglich finden, geschickt zu werden.
3. Außerdem befehle ich den Ministern im Gehorsam, vom Herrn Papst einen aus den Kardinälen der heiligen Römischen Kirche zu erbitten, der diese Brüderschaft lenke, in Schutz und in Zucht nehme,
4. auf daß wir, allezeit den Füßen dieser heiligen Kirche untertan und unterworfen, feststehend im katholischen Glauben (vgl. Kol 1,23), die Armut und Demut und das heilige Evangelium unseres Herrn Jesus Christus beobachten, was wir fest versprochen haben.

Päpstliche Bulle Solet annuere von Honorius III. (1223). Online abrufbar unter URL:
https://franciscan-archive.org/patriarcha/opera/regula-e.html (08/12/2014)

Quelle 3

Das Leben des Athanasios Athonites

Dieses Dokument ist der Auszug aus einer Hagiographie, also einem Buch, welches die Heiligkeit einer Person, deren Leben es erzählt, belegen möchte. Hier geht es um Athanasios Athonitis, den Gründer des berühmten Lavra-Klosters. Vor der Gründung dieses Klosters war der Berg Athos hauptsächlich ein Berg der Eremiten: Tatsächlich lebt Athanasios dort zunächst, um ein solches Leben zu führen. Erst die Gründung der Großen Lavra verändert den Ort, der seitdem als „heiliger Berg“ gilt, grundlegend. Athanasios folgt dem Beispiel der Lavra, also baut er ein Kloster, wo die Mönche ein koinobitisches Leben führen können. Dafür ist es auch mit kleinen klosterartigen Zellen außerhalb der eigentlichen Anlage ausgestattet, welche für wahrhaftig würdige Eremiten gedacht waren. Aber Athanasios‘ Werk geht über das Selbstversorgertum hinaus: Der Plan ist es, Überschüsse aus dem Handel zu erwirtschaften, die für die ordnungsmäßige Funktion des Klosters unerlässlich sind: Dies sind die ersten Züge von (Un-)Abhängigkeitsbeziehungen. Die späteren Metochia (Sg. Metochion) sind der Beleg für den enormen Einfluss dieses Klosters.

24. [Viele Anhänger schließen sich Athanasius an, der damit begonnen hat, ein Kloster zu bauen.]
25. Mit ihrer Unterstützung und Arbeit sowie der Hilfe der himmlischen Kraft, beschworen von den Gebeten des Athansius, wurde eine Kirche gebaut, die feinste gar, in Form eines Kreuzes arrangiert und der Heiligen Mutter Gottes gewidmet; sie wurde auf beiden Seiten von zwei kleinen gekuppelten Kirchen flankiert, die an den typischen Eigenschaften von Gebetshäusern orientiert waren, eine davon den heiligen Vierzig Märtyrern, die andere dem heiligen Sankt Nikolaus gewidmet […]. Danach begann er die Bauten, die er zunächst im Sinn hatte: Er baute kleine Zellen, die die Kirche quadratisch umfassten – somit stand die Kirche inmitten dieser Zellen, wie ein wachsames Auge. Dann fertigte er einen Speisesaal mit zwanzig Tischen aus weißem Marmor für je zwölf Gäste. Daraufhin gründete er ein Spital, ein Hotel und ein Bad für die Kranken.
Der Lawra mangelte es an Wasser […]. Er unternahm Grabungen und bohrte in den hohen und steilen Orten, verlegte Rohre in Gräben und brachte einen Strom verschiedener Quellen zum Kloster; er verteilte es je nach Bedarf unter den verschiedenen Diakonien [=Dienststellen innerhalb der Klöster], ließ es in die Zellen fließen und versorgte die verschiedenen Teile der Lawra mit Wasser. Durch Rohre brachte er das Wasser auch zu zwei Mühlen, durch die Obstbäume gut gewässert, die Gärten feucht gehalten und die Waschkessel für die Kleider der Brüder gefüllt wurden und wir Wasser für die Tiere zapfen konnten.
Es ist schier unmöglich, im Detail auf all das anzugehen, was die anderen Dienstgebäude und Kirchen betrifft, das Pflanzen von Reben und Bäumen, das Erbauen von Plätzen des Eremitentums und Zellen für die, die in der metochia des Berges leben, das Schaffen von Anlegeplätzen im Hafen und all seine anderen Taten […].
26. Darauf begann er, Regeln und kirchliche Bedingungen für den ordentlichen Dienst der Seele zu schaffen, darunter auch Anweisungen, wie die Lieder für Gott gesungen werden sollten, abhängig vom Verlauf des Tages und der Nacht.

Life of Saint Athanasius the Athonite, ed. L. Petit, Analecta Bollandiana 25 (1906), S. 31 ff. In deutscher Übersetzung von Patrick Eger