5. Religiöse Themen in der politischen Philosophie

Quelle 1

Multikulturalität und Minderheitenrechte?

Die Religionsphilosophie der jüngeren Zeit diskutiert die Beziehung zwischen Religion und Politik. Nebst anderen Gründen ist dieses Interessengebiet aus Zusammenstößen zwischen verschiedenen Religionen sowie aus Meinungsverschiedenheiten darüber hervorgegangen, welche Rolle Religion in einer säkularen Gesellschaft spielen soll oder darf. Einige der wichtigsten Diskussionen stellen einen Zusammenhang zu Multikulturalität und den Rechten von Minderheiten sowie zum Thema Religion im öffentlichen Raum her. Die Thematik taucht jedoch auch in der Diskussion darüber auf, welche religiösen Alternativen zur Evolutionstheorie in den Biologieunterricht der Schule Eingang finden sollten.

Viele Menschen erachten es in einer modernen, demokratischen Gesellschaft als eine zentrale Idee, dass alle Bürger gleiche Rechte und Chancen haben sollten, und dass niemand aufgrund ethnischer Herkunft, Geschlecht, Sexualität oder Religion diskriminiert werden sollte. Allerdings scheint es in einigen Fällen notwendig zu sein, Menschen anders zu behandeln, um Gleichbehandlung zu erreichen. Großbritannien hat etwa Sikhs von der Pflicht entbunden, beim Motorradfahren einen Helm zu tragen, da ihre großen Turbane es ihnen unmöglich machen, einen Helm zu tragen. Die gültige Gesetzgebung hinderte sie daran, Berufe auszuüben, die auch das Motorradfahren beinhalten. Bald jedoch kam es zu Unstimmigkeiten darüber, bis wohin aus Rücksicht auf eine Religion Ausnahmen von einer Regel gemacht werden sollen. Fragen der Multikulturalität ziehen grundlegende Diskussionen (zu Gleichheit, Toleranz und Gerechtigkeit) in der politischen Philosophie nach sich.

Bei dem Text handelt es sich um eine Neufassung, die auf der Einleitung einer englischsprachigen, vorläufigen Fassung von Horisont beruht, einem Lehrbuch für den Religionsunterricht in der gymnasialen Oberstufe in Dänemark. Das Buch wurde von den Lehrbeauftragten Annika Hvithamar und Tim Jensen sowie von den Gymnasiallehrern Allan Ahle und Lene Niebuhr herausgegeben und ist 2013 im Gyldendal Verlag in Kopenhagen erschienen. Die ursprüngliche Einleitung wurde von Annika Hvithamar und Tim Jensen verfasst und beruht auf dem Beitrag von C. Shaffalitzky de Muckadell..

Quelle 2

Religion im öffentlichen raum?

In der öffentlichen Debatte wurde beanstandet, dass Religion im öffentlichen Raum einen zu großen Platz einnimmt. Was aber bedeutet diese Aussage? Was bedeutet „öffentlicher Raum“? Und wann wird etwas als “Religion” gewertet? Die Vorstellung von “Religion im öffentlichen Raum” ist nicht ganz so simpel, wie man zunächst annehmen mag, und es ist demzufolge unklar, inwieweit genau ein Zuviel davon vorliegt. Es könnte sich dabei um Kirchenglocken handeln, die läuten; oder um religiöse Kleidung oder um religiöse Argumente in der politischen Debatte. Im Übrigen, wann ist Kleidung religiös? Das Tragen von Kopftüchern mag religiös motiviert sein, aber es kann sich auch um eine Modefrage handeln, eine Tradition, eine Provokation oder etwas Ähnliches. Eine weitere Schwierigkeit ist die Rechtfertigung solcher Ansichten. Warum sind religiöse Argumente im politischen Diskurs nicht erlaubt? Es ist außerordentlich schwierig, ein Kriterium für das Ausgrenzen religiöser Argumente zu finden, ohne eine sehr undifferenzierte Streitkultur zu etablieren. Wenn jemand sagt, dass religiöse Argumente nicht zählen, weil sie nicht durch wissenschaftliche Beweise gestützt werden, bedeutet dies, dass auch Argumente, die auf Ideologien oder historischer Tradition beruhen, nicht länger berücksichtigt werden können.

Religiöse Theorien im Biologieunterricht?

Gemäß der Evolutionstheorie kann die Entwicklung der Tierarten biologisch erklärt werden. Nur die am besten angepassten Tiere überleben, wenn nicht für alle Ressourcen in ausreichendem Maße vorhanden sind. Hierdurch kann die Entwicklung der Arten im Zeitverlauf erklärt werden, wenn man sie mit unserem Wissen über Genetik vergleicht. Die Theorie wird dabei durch die Entdeckung von Fossilien und durch empirische Tests gestützt.

Als Charles Darwin (1809-1882) die Evolutionstheorie erstmals formulierte, verursachte sie einiges an Aufruhr. Sie besagt letztlich, dass der Mensch nicht mehr als ein Tier ist und Affen unsere Vorfahren sind. Damals wie auch heute gibt es jedoch Kritiker, die religiöse Alternativen zu den Evolutionstheorien vorschlagen (es gibt sowohl christliche als auch muslimische Beispiele). Sie argumentieren, dass Gott die Arten (und die Menschen) erschaffen hat. Diese Ansicht wird als Kreationismus bezeichnet. Weniger radikale Kritiker der Evolutionstheorie postulieren keine religiösen Alternativen zu sein, jedoch sprechen sie von bestimmten Mikroorganismen, die von einem „intelligenten Schöpfer“ erschaffen wurden. Diese Überzeugung rührt auch davon her, weil die Evolutionstheorie keine befriedigenden Ergebnisse für das Auftreten dieser komplexen Organismen liefern kann.

Ein Ableger dieses Konflikts kann in der Debatte darüber gefunden werden, was Kinder in der Schule lernen sollten. Wäre es vertretbar, Kindern im Biologieunterricht religiöse Alternativen zur Evolutionstheorie beizubringen? Manche denken, dass dies die angemessenste Lösung wäre, da Kinder so beide Seiten des Falls zu hören bekämen. Andere erachten eben dies als falsch und argumentieren, dass Religion nicht in den Biologieunterricht gehöre und dass es wichtig sei, Kindern die beste Erklärung beizubringen – und ihnen nicht Ideen zu präsentieren, deren Richtigkeit sie nicht beurteilen können.

Bei dem Text handelt es sich um eine Neufassung, die auf der Einleitung einer englischsprachigen, vorläufigen Fassung von Horisont beruht, einem Lehrbuch für den Religionsunterricht in der gymnasialen Oberstufe in Dänemark. Das Buch wurde von den Lehrbeauftragten Annika Hvithamar und Tim Jensen sowie von den Gymnasiallehrern Allan Ahle und Lene Niebuhr herausgegeben und ist 2013 im Gyldendal Verlag in Kopenhagen erschienen. Die ursprüngliche Einleitung wurde von Annika Hvithamar und Tim Jensen verfasst und beruht auf dem Beitrag von C. Shaffalitzky de Muckadell..