1. Vergleichende Religionswissenschaft (oder Religionsphänomenologie)

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Konzepte und kategorien

Die Kombination und der Stellenwert von historischen und vergleichenden Herangehensweisen und Methoden innerhalb der Religionswissenschaft bedeuten, dass man sie zu gutem Recht auch Religionsgeschichte oder vergleichende Religionswissenschaft nennen könnte. Einerseits unterscheiden sich die Religionen relativ deutlich voneinander, insbesondere durch die verschiedenartigen geschichtlichen (und somit auch gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen) Kontexte, in denen sie entstanden sind und sich entwickelt haben. Andererseits entdeckt man beim Vergleich vergangener und zeitgenössischer Religionen weltweit (egal ob groß oder klein) immer wiederkehrende kultur- und geschichtsübergreifende Phänomene. Somit gibt es einige gute Gründe dafür, diese Phänomene systematisch und vergleichend zu erforschen. Einige der wichtigen Konzepte und Kategorien werden im Folgenden erwähnt:

1.  Mythos : Eine Erzählung, die mündlich, schriftlich, auf Bildern oder in Ritualen ausgedrückt werden kann.

2. Rituale : Regelmäßig wiederholte Handlungsvollzüge, die zum Bespiel der Verehrung, dem Kult, dienen oder in bestimmten gesellschaftlichen Kontexten praktiziert werden. Hierzu gehören:

  • Saisonale Rituale und Festlichkeiten: Religiöse Feste und einfache Rituale mit Bezug auf den Wechsel von Jahreszeiten, welcher für Landwirtschaft, Paarung in der Tierwelt und damit verbundene Gemeinschaften von Bedeutung ist; Erneuerung von Zeit, Mensch, gesellschaftlicher Ordnung und Beziehung zu den göttlichen Wesen, so z. B. Neujahr, das Passah-Fest oder der Ramadan
  • Krisenrituale: Kulte und Rituale mit Verbindung zu akuten oder wiederkehrenden Krisen, wie z. B. Krankheit, schlechter Fischfang oder Dürre.
  • Übergangs- und Initiationsriten, die das Durchschreiten geheiligter Zeiträume und Orte dramatisieren, wie z. B. der Übergang vom Kind zum Erwachsenen, von ledig zu verheiratet, von lebendig zu tot oder von einer normalen Person zum religiösen Würdenträger.
  • Gemeinschaftliche und private Rituale, also solche, die mit anderen und ggf. für das Gemeinwohl praktiziert werden, und solche, die vom Individuum für sein eigenes oder das Wohl seiner Familie gefeiert werden.

3.  Heilige oder religiöse Plätze oder Gebäude, die auch Kultstätten genannt werden könnten, weil diese und andere gemeinschaftliche Rituale dort in regelmäßigen Abständen betrieben werden. Die Anhänger können diese Orte als heilig oder geweiht wahrnehmen und/oder sie dazu machen.

4. Das Heilige
Grundsätzlich gibt es keine Beschränkungen, was in den Religionen von heute oder von vergangenen Zeiten als „heilig“ angesehen bzw. behandelt werden kann. Naturphänomene, bestimmte Menschen, bestimmte menschliche Handlungen, bestimmte Zeiten, Orte und Schriften können als „heilig“ erachtet und dementsprechend behandelt werden und erlangen somit einen besonderen Status im Vergleich zu all dem, was nicht heilig ist, also dem „Profanen“ (lat. pro-fanum, „vor dem Tempel/Schrein“).
Die klassische Religionsphänomenologie sah das “Heilige” als Grundlage aller Religion, aber wie die “Religion” selbst verdankt sich auch das „Heilige“ seiner Existenz nicht aus sich selbst heraus. Insofern jemand etwas als heilig ansieht bzw. es dazu macht, dann ist es auch Objekt des Respekts und Autoritätsquelle.

Dies geschieht zumeist auf zwei Weisen bzw. in einer Verbindung der beiden:

  • Im Diskurs/in der Sprache: z. B. in Mythen, in denen in erster Linie die Erzählung Orten, Menschen, Regeln, Büchern, Gemeinschaften und Einrichtungen einen bestimmten Status und Autorität verleiht
  • Auf der Handlungsebene: z .B. durch Rituale. In der Einhaltung von Ge- und Verboten wird die intendiere Heiligkeit offengelegt und bewahrt.

 

 

Der Text ist eine Neufassung eines englischen Entwurfs der Einführung in das Buch Horisont – ein Schulbuch für den Religionsunterricht in fortgeschrittenen Klassen dänischer Sekundarschulen, herausgegeben von den Lehrbeauftragten Annika Hvithamar und Tim Jensen sowie den Gymnasiallehrern Allan Ahle und Lene Niebuhr, veröffentlicht 2013 im Gyldendal-Verlag, Kopenhagen. Die ursprüngliche Einführung wurde von Tim Jensen und Annika Hvithamar verfasst.

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Ritualisierter Sonnentanz

U.S. National Archives and Records Administration
Public Domain
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http://it.wikipedia.org/wiki/Danza_del_sole#/media/File:Fort_Hall_Reservation._Shoshone_Indian_Sun_Dance_-_NARA_-_298649.tif

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