3. Essen und religiöser Pluralismus

Einführung
Ungeachtet des Prozesses der Säkularisierung sind unsere Gesellschaften deutlich multireligiöser geprägt, pluralistischer und komplexer als je zuvor. Die heutige religiöse Pluralität hat Anlass zu einer großen Debatte um unterschiedliche Forschungsthemen gegeben: Eines dieser Themen ist die Beziehung zwischen Essen und Religion. Jede kulturelle Gruppe entwickelt ihre eigenen Präferenzen für bestimmte Arten von Essen und Zubereitungsformen von Essen. Kulturelle Präferenzen basieren auf einem Zusammenspiel von Nahrungsversorgung, Tradition und Notwendigkeiten, die aus der sozialen Umgebung resultieren. Allerdings werden Ernährungsregeln vielfach auch von heiligen Erzählungen (Mythen) und von Tabus im Hinblick auf bestimmte Essenspraktiken geprägt. Dementsprechend ist Essen nicht mehr nur ein körperliches, sondern auch ein kulturelles Bedürfnis. Hieraus folgt, dass religiöse Pluralität in einer Gesellschaft auch das Nebeneinander verschiedener Ernährungsregeln und Verbotsregelungen bedeutet und dabei manchmal auch interkulturelle und politische Konflikte mit sich bringt.
Jede kulturelle und religiöse Gruppe agiert als Kulturträger – in diesem Sinne ist jede kulturelle und religiöse Gemeinschaft aktiv am sozialen Eingliederungsprozess beteiligt. Die Bedeutung, die kulturellen Symbolen, wie etwa Essen, innewohnt, kann dazu beitragen, die Werte und Überzeugungen einer Kultur zu repräsentieren und etablieren. Daher sind Verhaltensweisen im Bezug auf Essen sowohl von sozio-ökonomischen als auch sozio-kulturellen Faktoren, ebenso wie durch religiöse Auffassungen beeinflusst und nehmen durch die Festlegung von Regeln und Verboten eine wesentliche Rolle ein. Aus all diesen Gründen ist es leicht nachvollziehbar, dass die religiöse Bedeutung von Essen seit jeher das Interesse von Anthropologen, Historikern und Soziologen geweckt hat.
Quelle 1a

Koschere Molkereiprodukte aus dem 19. Jahrhundert im Jüdischen Museum Berlin

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Viele religiöse Gemeinschaften haben Regeln, die das Essen anbetreffen. Diese geben vor, was rein und für den menschlichen Verzehr geeignet ist und was unrein und daher verboten ist. Manchmal sind religiöse Verbote auch mit kultureller Abneigung gekoppelt, und das so sehr, dass die Unterscheidung zwischen dem, was eine religiöse Regel und dem, was eine kulturelle Gewohnheit darstellt, sich schwierig gestaltet. In Europa sind es das Judentum und der Islam, deren Speisegesetze und Essensvorschriften am weitesten verbreitet sind und am meisten gesellschaftlich diskutiert werden. Im Judentum warden die Speisegesetze Kaschrut genannt und Essen, das gemäß der Halacha (jüdisches Gesetz) verzehrt werden darf, wird als koscher bezeichnet, von dem hebräischen Wort kashér (כָּשֵׁר), das „geeignet“ bedeutet (in diesem Kontext: geeignet zum Verzehr). Im Islam wird Essen, das gemäß der Scharia (islamisches Gesetz) verzehrt werden darf, halal („erlaubt“) genannt und steht im Gegensatz zu haram („unerlaubt“). Andere Religionen verfügen ebenfalls über Essensvorschriften (im Hinduismus ist beispielsweise der Verzehr von Rindfleisch nicht erlaubt), wenngleich ihr Einfluss innerhalb der sozialen und politischen Ebene weit geringer ist.
In mehreren europäischen Ländern richtet sich die öffentliche Kritik gegen halal-Essen, insbesondere wenn es an Schulen serviert wird. Die Kritik kommt hauptsächlich aus den Reihen populistischer Parteien, aber auch von säkularen Gruppierungen. Dementsprechend sind Produktion und Vertrieb von halal-Fleisch, wie etwa in Frankreich, eine heikle Angelegenheit und das gewiss, aber nicht ausschließlich wegen des islamophoben Zusammenhangs. Ethische und philosophisch orientierte Tierschutzgruppen gehören ebenfalls zu den Gegnern. Zudem werden einige als halal deklarierte Produkte bei einigen Mitgliedern der muslimischen Gemeinden nicht anerkannt. Das französische Ministerium für Ernährung, Fischerei und Landwirtschaft stellt fest, dass Schafe und Ziegen, die rituell geschlachtet werden, 48% der insgesamt in Frankreich geschlachteten Schafe und Ziegen ausmachen, während die Zahl rituell geschlachteter Rinder 11% der Gesamtmenge ausmacht, und 13% der Gesamtmenge an Kälbern.

"Kosher dishes P7160076" by Deror avi - Own work.
created: 17 July 2007
Licensed under Attribution via Wikimedia Commons - https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kosher_dishes_P7160076.JPG#/media/File:Kosher_dishes_P7160076.JPG

Quelle 1b

Ladenschild auf Französisch und Arabisch eines Halal-Metzgers in Paris

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created: 20 March 2010
CC BY-SA 3.0
https://fr.wikipedia.org/wiki/.:Halal_shop_sign,_Rue_de_Patay,_Paris_13.jpg

Viele religiöse Gemeinschaften haben Regeln, die das Essen anbetreffen. Diese geben vor, was rein und für den menschlichen Verzehr geeignet ist und was unrein und daher verboten ist. Manchmal sind religiöse Verbote auch mit kultureller Abneigung gekoppelt, und das so sehr, dass die Unterscheidung zwischen dem, was eine religiöse Regel und dem, was eine kulturelle Gewohnheit darstellt, sich schwierig gestaltet. In Europa sind es das Judentum und der Islam, deren Speisegesetze und Essensvorschriften am weitesten verbreitet sind und am meisten gesellschaftlich diskutiert werden. Im Judentum warden die Speisegesetze Kaschrut genannt und Essen, das gemäß der Halacha (jüdisches Gesetz) verzehrt werden darf, wird als koscher bezeichnet, von dem hebräischen Wort kashér (כָּשֵׁר), das „geeignet“ bedeutet (in diesem Kontext: geeignet zum Verzehr). Im Islam wird Essen, das gemäß der Scharia (islamisches Gesetz) verzehrt werden darf, halal („erlaubt“) genannt und steht im Gegensatz zu haram („unerlaubt“). Andere Religionen verfügen ebenfalls über Essensvorschriften (im Hinduismus ist beispielsweise der Verzehr von Rindfleisch nicht erlaubt), wenngleich ihr Einfluss innerhalb der sozialen und politischen Ebene weit geringer ist.
In mehreren europäischen Ländern richtet sich die öffentliche Kritik gegen halal-Essen, insbesondere wenn es an Schulen serviert wird. Die Kritik kommt hauptsächlich aus den Reihen populistischer Parteien, aber auch von säkularen Gruppierungen. Dementsprechend sind Produktion und Vertrieb von halal-Fleisch, wie etwa in Frankreich, eine heikle Angelegenheit und das gewiss, aber nicht ausschließlich wegen des islamophoben Zusammenhangs. Ethische und philosophisch orientierte Tierschutzgruppen gehören ebenfalls zu den Gegnern. Zudem werden einige als halal deklarierte Produkte bei einigen Mitgliedern der muslimischen Gemeinden nicht anerkannt. Das französische Ministerium für Ernährung, Fischerei und Landwirtschaft stellt fest, dass Schafe und Ziegen, die rituell geschlachtet werden, 48% der insgesamt in Frankreich geschlachteten Schafe und Ziegen ausmachen, während die Zahl rituell geschlachteter Rinder 11% der Gesamtmenge ausmacht, und 13% der Gesamtmenge an Kälbern.

Quelle 1c

Krankenhaus benutzt nur Halal-Rindfleisch (Dänemark)

Das Hvidovre-Krankenhaus hat seinen muslimischen Patienten zuliebe halal-Fleisch in seine Speisekarte aufgenommen. Die Entscheidung des Krankenhauses, allen Patienten ausschließlich halal-Rindfleisch zu servieren, wurde mit Kritik aufgenommen. „In Dänemark herrscht Religionsfreiheit“, sagte Mehmet Ümit Necef, ein Integrationsexperte und Lehrbeauftragter an der Süddänischen Universität. „Diese Verfahrensweise impliziert, dass eine religiöse Glaubensrichtung bevorzugt wird.“ Der stellvertretende Geschäftsführer des Hvidovre-Krankenhauses, Torben Mogensen, sagte, es sei für das Krankenhaus unmöglich, beide Arten Rindfleisch anzubieten und betonte, dass keinerlei Beschwerden von Patienten eingegangen seien.


by Ekstra Bladet
The Copenhagen Post
22 June 2013
http://cphpost.dk/news14/news-news14/hospital-uses-only-halal-beef.html

Viele religiöse Gemeinschaften haben Regeln, die das Essen anbetreffen. Diese geben vor, was rein und für den menschlichen Verzehr geeignet ist und was unrein und daher verboten ist. Manchmal sind religiöse Verbote auch mit kultureller Abneigung gekoppelt, und das so sehr, dass die Unterscheidung zwischen dem, was eine religiöse Regel und dem, was eine kulturelle Gewohnheit darstellt, sich schwierig gestaltet. In Europa sind es das Judentum und der Islam, deren Speisegesetze und Essensvorschriften am weitesten verbreitet sind und am meisten gesellschaftlich diskutiert werden. Im Judentum warden die Speisegesetze Kaschrut genannt und Essen, das gemäß der Halacha (jüdisches Gesetz) verzehrt werden darf, wird als koscher bezeichnet, von dem hebräischen Wort kashér (כָּשֵׁר), das „geeignet“ bedeutet (in diesem Kontext: geeignet zum Verzehr). Im Islam wird Essen, das gemäß der Scharia (islamisches Gesetz) verzehrt werden darf, halal („erlaubt“) genannt und steht im Gegensatz zu haram („unerlaubt“). Andere Religionen verfügen ebenfalls über Essensvorschriften (im Hinduismus ist beispielsweise der Verzehr von Rindfleisch nicht erlaubt), wenngleich ihr Einfluss innerhalb der sozialen und politischen Ebene weit geringer ist.
In mehreren europäischen Ländern richtet sich die öffentliche Kritik gegen halal-Essen, insbesondere wenn es an Schulen serviert wird. Die Kritik kommt hauptsächlich aus den Reihen populistischer Parteien, aber auch von säkularen Gruppierungen. Dementsprechend sind Produktion und Vertrieb von halal-Fleisch, wie etwa in Frankreich, eine heikle Angelegenheit und das gewiss, aber nicht ausschließlich wegen des islamophoben Zusammenhangs. Ethische und philosophisch orientierte Tierschutzgruppen gehören ebenfalls zu den Gegnern. Zudem werden einige als halal deklarierte Produkte bei einigen Mitgliedern der muslimischen Gemeinden nicht anerkannt. Das französische Ministerium für Ernährung, Fischerei und Landwirtschaft stellt fest, dass Schafe und Ziegen, die rituell geschlachtet werden, 48% der insgesamt in Frankreich geschlachteten Schafe und Ziegen ausmachen, während die Zahl rituell geschlachteter Rinder 11% der Gesamtmenge ausmacht, und 13% der Gesamtmenge an Kälbern.