3. Die textlichen Grundlagen des Daoismus

Source 1

Auszüge aus dem Daodejing

(1)

Ein Dao, von dem man reden kann, ist nicht ein beständiges Dao.
Ein Name, den man nennen kann, ist nicht ein beständiger Name.
Das Namenlose ist der Anfang von Himmel und Erde.

(42)

Das Dao gebiert die Eins. Die Eins gebiert die Zwei.
Die Zwei gebiert die Drei. Die Drei gebiert die "zehntausend Dinge".
Die "zehntausend Dinge" tragen das Yin auf dem Rücken und umfassen das Yang.
Das leere Qi sehen sie als harmonisierend an.

(2)

Daher gebären das Vorhandene und das Nichts einander,
vollenden das Schwierige und das Leichte einander,
vergleichen das Lange und das Kurze einander,
neigen das Hohe und das Niedrige zueinander,
harmonieren die Töne und die Stimmen miteinander,
folgen das Vordere und das Hintere einander.

(64)

Wer handelt, zerstört es.
Wer festhält, verliert es.
Deshalb sind Menschen des Einklangs ohne ein Handeln, daher gibt es nichts Zerstörtes.
Sie halten nicht fest, daher gibt es keinen Verlust.

(57)

Je mehr Vorschriften es in der Welt gibt,
desto ärmer sind die Leute.
Je mehr nützliche Geräte die Leute haben,
desto chaotischer sind Land und Familie.
Je mehr Kunstfertigkeiten die Menschen besitzen,
desto mehr abweichende Dinge entstehen.
Je ausgeprägter Gesetze und Verordnungen sind,
desto mehr Räuber und Diebe gibt es.
Daher sprechen Menschen des Einklangs:
Ich handle nicht, und die Leute entwickeln sich von alleine.
Ich liebe es, ruhig zu sein, und die Leute sind von alleine vorbildlich.
Ich bin ohne Angelegenheiten, und die Leute sind von alleine reich.
Ich habe kein Begehren,
und die Leute sind von alleine ursprünglich.

Das Tao Te King von Lao Tse.
Übersetzt von Ansgar Gerstner. Online abrufbar unter URL: http://web.archive.org/web/20100417151130... (14.01.2015).

Einige Auszüge aus dem Daodejing (Schrift vom Dao und der inneren Kraft). Es handelt sich dabei um ein kurzes (etwa 5000 Zeichen langes) Schriftstück. Einzelne Abschnitte datieren aus dem vierten und fünften Jahrhundert v. u. Z. Der Originaltitel lautete ‚Das Buch Laozi‘ (Buch des ehrwürdigen Meisters), benannt nach dem vermeintlich historischen Laozi (Alter Meister). Innerhalb der Gesamtgeschichte des Daoismus ist das Daodejing der wohl einflussreichste Text.

Source 2

Auszüge aus dem Zhuangzi

(2:8)

Der höchste Mensch ist Geist. Wenn das große Meer im Feuer aufginge, vermöchte es ihm nicht heiß zu machen; wenn alle Ströme gefrören, vermöchte ihm das nicht kalt zu machen; wenn heftiger Donner die Berge zerrisse und der Sturm den Ozean peitschte, vermöchte ihm das nicht Schrecken einzuflößen? Einer, der also ist, der fährt auf Luft und Wolken; er reitet auf Sonne und Mond und wandelt jenseits der Welt. Leben und Tod können sein Selbst nicht verändern. Was erst sollten ihm da die Gedanken an Nutzen und Schaden sein!

(18:2)

Hui Dsï sprach: „Wenn eine Frau mit einem zusammen gelebt hat, Kinder aufgezogen hat und im Alter stirbt, dann ist es wahrlich schon gerade genug, wenn der Mann nicht um sie klagt. Nun noch dazuhin auf einer Schüssel zu trommeln und zu singen, ist das nicht gar zu bunt?“
Dschuang Dsï sprach: „Nicht also! Als sie eben gestorben war, (denkst du), dass mich da der Schmerz nicht auch übermannt habe? Aber als ich mich darüber besann, von wannen sie gekommen war, da erkannte ich, dass ihr Ursprung jenseits der Geburt liegt; ja nicht nur jenseits der Geburt, sondern jenseits der Leiblichkeit; ja nicht nur jenseits der Leiblichkeit, sondern jenseits der Wirkungskraft. Da entstand eine Mischung im Unfassbaren und Unsichtbaren, und es wandelte sich und hatte Wirkungskraft; die Wirkungskraft verwandelte sich und hatte Leiblichkeit; die Leiblichkeit verwandelte sich und kam zur Geburt. Nun trat abermals eine Verwandlung ein, und es kam zum Tod. Diese Vorgänge folgen einander wie Frühling, Sommer, Herbst und Winter, als der Kreislauf der vier Jahreszeiten. Und nun sie da liegt und schlummert in der großen Kammer, wie sollte ich da mit Seufzen und Klagen sie beweinen? Das hieße das Schicksal nicht verstehen. Darum lasse ich ab davon.“

Aus: Chuang-tzu (1972): Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Aus dem Chinesischen übertragen und erläutert von Richard Wilhelm. Düsseldorf: E. Diederichs (Die Philosophie Chinas), S. 48 – 49 u. 195 – 196.

Einige Ausschnitte aus dem Buch Zhuangzi (Buch des Meisters Zhuang), eines weiteren grundlegenden Textes, der nach seinem Autor, Meister Zhuang, benannt ist. Einige der älteren Kapitel datieren aus dem späten vierten Jahrhundert v. u. Z., während andere Abschnitte ein oder zwei Jahrhunderte später entstanden sind.

Source 3

Laozi reitet auf einem Ochsen

Laozi reitet auf einem Ochsen,
Hängende Schriftrolle
16. Jahrhundert, China
Lichtfarbe auf Papier
Palastmuseum Peking
Abgerufen unter: http://commons.wikimedia.org/...Zhang_Lu-Laozi_Riding_an_Ox.jpg
(02/09/2014). lizenzfrei.

Ein Porträt von Laozi, dem vermeintlich historischen Autor des Daodejing, wie er auf einem Ochsen reitet und dabei sein Meisterwerk in der Hand hält.