3. Religion und Ethik
Religion und Ethik
Ethik ist eine der grundlegenden philosophischen Disziplinen. Sie wird auch als Moralphilosophie bezeichnet. Neben Philosophie werden auch Ethik und Moralität oft mit Religion in Verbindung gebracht, die Beziehung zwischen Ethik und Religion ist jedoch selbst Gegenstand einer philosophischen Diskussion. In jedem Fall aber ist Ethik ein sehr wichtiger Teil religiöser Traditionen. Der ethische Aspekt kann entweder explizit vorliegen, wie etwa in Form göttlicher Gebote (die Zehn Gebote), Teil metaphysischer Lehren sein (das Gesetz des Karma), oder aber er kann eher implizit anhand von Verhaltensregeln, Lebensformen und Gesellschaftsstrukturen zum Ausdruck kommen.
Wenn die Wahrnehmung moralischer Normen eng mit Religion verflochten ist, bedeutet dies, dass es schwierig sein kann, diese moralischen Normen zu diskutieren, ohne dabei unweigerlich eine Diskussion über religiöse Inhalte in Gang zu setzen, und ebenso kann es schwierig werden, die auf Religion basierende Moralität zu hinterfragen. Wenn wir unseren Blickwinkel erweitern, wissen wir jedoch, dass moralische Inhalte religiöser Traditionen sich fortwährend weiterentwickeln. Ob man eine Form von Moralität oder Ethik als religiös oder nicht-religiös ansieht, hängt demnach weniger davon ab, was gefordert wird, als davon, welche Art von Argumenten herangezogen wird. Der vornehmliche Unterschied zwischen religiöser und nicht-religiöser Moralität findet sich daher nicht in den Standpunkten, sondern vielmehr in den Gründen, die angeführt werden, sowie in den Arten von Argumenten, die in einer Diskussion vorgebracht werden. Säkulare Ethik ist in diesem Zusammenhang dadurch gekennzeichnet, dass die Argumente nicht Teil eines religiösen Systems sind. Es gibt jedoch auch Beispiele ethischer Theorien, bei denen religiöse wie nicht-religiöse Argumentationswege zu identischen Ergebnissen führen.
BEISPIELE MORALPHILOSOPHISCHER VARIANTEN |
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PFLICHTETHIK Der Wert einer Handlung hängt davon ab, ob die handelnde Person versucht, Gutes zu tun. Der Gedanke zählt – wir möchten Gutes tun, und wir versuchen, dabei einige allgemeingültige Regeln zu befolgen. |
AUF KONSEQUENZEN BASIERENDE ETHIK |
TUGENDETHIK Der Wert einer Handlung hängt davon ab, ob sie eine Handlung ist, die eine gute, „tugendhafte“ Person ausführen würde. „Gut“ wird als die ideale moralische Praktik verstanden. |
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Religiöse Variante |
Nicht-religiöse Variante |
Religiöse Linie |
Nicht-religiöse Linie |
Religiöse Linie |
Nicht-religiöse Linie |
Ein Beispiel für auf Religion basierende Pflichtethik: Der Versuch, zu bestimmen, bis zu welchem Grad bestimmte Handlungen mit den Zehn Geboten kompatibel sind. Sind sie kompatibel, dann sind sie moralisch gut. Wenn nicht, dann sind sie moralisch schlecht. |
Ein berühmter Vertreter hierfür ist Kant: Menschen sind intrinsisch vernunftbegabte Wesen. Daher muss absoluten Pflichten nachgekommen werden, wie etwa, andere nicht zu töten oder sie zu belügen. Wenn man es nämlich tut, bedeutet das, dass man ihre Würde als unabhängige Individuen nicht respektiert. |
Auf den Konsequenzen einer Handlung basierende Ethik erwägt, ob eine Handlung einen bestimmten religiösen Zweck erfüllt oder nicht. Wenn das religiöse Ziel darin besteht, das Rad der Wiedergeburt zu stoppen, müssen Handlungen danach beurteilt werden, ob sie dem Karma einer Person schaden oder nicht (und folglich die Chancen der betreffenden Person beeinträchtigen, dem Rad der Wiedergeburt zu entkommen). |
Die häufigste Variante ist der Utilitarismus, der eine Handlung als gut bewertet, wenn sie der Welt das größtmögliche Ausmaß an Glück und Wohlergehen bringt. Je mehr Leid und Unzufriedenheit eine Handlung nach sich zieht, desto schlechter ist sie. |
Auf Tugend basierende religiöse Ethik definiert eine gute Person als jemand, der gemäß der Religion über die Befähigung verfügt, eine gute Person zu sein. (Beispiele: eine barmherzige Person, jemand, der seine Religion verteidigt, oder jemand, der sehr bescheiden ist – die Charakteristiken hängen jeweils von den Idealen der religiösen Tradition ab). |
Hier werden die Ideale für den Menschen definiert, ohne dass auf eine Religion verwiesen wird. Die aristotelische Ethik ist ein frühes Beispiel. Sie besagt, dass bestimmte Befähigungen (genannt Tugenden) erforderlich sind, um ein gutes und erfolgreiches Leben zu führen. Eine gute Person ist tapfer, großzügig, selbstreflektiert, und kann Richtig von Falsch aufgrund eigener Erfahrungen unterscheiden. |
Bei dem Text handelt es sich um eine Neufassung, die auf der Einleitung einer englischsprachigen, vorläufigen Fassung von Horisont beruht, einem Lehrbuch für den Religionsunterricht in der gymnasialen Oberstufe in Dänemark. Das Buch wurde von den Lehrbeauftragten Annika Hvithamar und Tim Jensen sowie von den Gymnasiallehrern Allan Ahle und Lene Niebuhr herausgegeben und ist 2013 im Gyldendal Verlag in Kopenhagen erschienen. Die ursprüngliche Einleitung wurde von Annika Hvithamar und Tim Jensen verfasst und beruht auf dem Beitrag von C. Shaffalitzky de Muckadell..