5. Religionsgemeinschaften, individuelle und gelebte Religion

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RELIGIONSGEMEINSCHAFTEN

Religion zeigt sich in vielen verschiedenen Formen und Bereichen. Manche religiösen Bewegungen erwarten großes Engagement von ihren Mitgliedern, andere wiederum weisen nur eine lockere Struktur auf. Manche religiösen Bewegungen fügen sich reibungslos in die Gesellschaft ein, während andere im permanenten Konflikt zum Rest der Gesellschaft stehen. Und während nur wenige Bewegungen globale Ausmaße annehmen, kommen und gehen die meisten ohne vom Großteil der Gesellschaft überhaupt wahrgenommen zu werden.

Mehrheits- und Minderheitsreligionen

Eine vorherrschende Religion wird Mehrheitsreligion genannt, eine nicht-dominante Religion hingegen wird als Minderheitsreligion bezeichnet. Mehrheitsreligionen können vorherrschend sein, da sie in Bezug auf die Anzahl ihrer Anhänger eine Mehrheit bilden oder ihre Anhänger zur gesellschaftlichen Machtelite gehören. Im Gegensatz dazu haben Minderheitsreligionen wenige Anhänger oder ihre Anhänger sind den niedrigeren Gesellschaftsschichten zuzurechnen. Die Mehrheitsreligion ist oft ein wesentlicher Bestandteil der Gesellschaft und verfügt über erheblichen Einfluss. Minderheitsreligionen erhalten häufig besondere Privilegien wie etwa finanzielle Unterstützung und Einfluss auf das Schulsystem. Auf die Gesellschaft jedoch haben Minderheitsreligionen nur äußerst selten Einfluss.

Mehrheitsreligionen sind ein wesentlicher Bestandteil der Gesellschaft, was zu ihrem Ansehen und ihrer Macht beiträgt. Dennoch können diese äußerst hart von der Säkularisierung getroffen werden. Minderheitsreligionen hingegen werden zwar häufig verfolgt, diskriminiert oder ignoriert, sind aber erheblich seltener von der Säkularisierung betroffen. Grund hierfür ist, dass der öffentliche Druck die Mitglieder zusammenrücken lässt, da sie sonst keine Unterstützung erhalten. Während eine Mehrheitsreligion in der Regel lediglich eine religiöse Ergänzung im Leben der Glaubensanhänger darstellt, ist eine Minderheitsreligion oft der Mittelpunkt aller Lebensbereiche der Glaubensanhänger – ein weiterer Grund, weshalb Minderheitsreligionen trotz Diskriminierung und Verfolgung überdauern können.

Die Texte basieren auf der englischsprachigen Einleitung zu Horisont, einem Lehrbuch für den Religionsunterricht in der gymnasialen Oberstufe in Dänemark. Das Buch wurde von den Lehrbeauftragten Annika Hvithammer und Tim Jensen sowie den Gymnasiallehrern Allan Ahle und Lene Niebuhr herausgegeben und ist 2013 im Gyldendal Verlag in Kopenhagen erschienen. Die Einleitung wurde ursprünglich von Annika Hvithamar und Tim Jensen verfasst.

Quelle 2

GELEBTE RELIGION

Je mehr Interviews verschiedene Wissenschaftler mit religiösen Individuen führen, desto klarer wird, dass die Vorstellung von Religion als eine ordentliche und klar definierte Einheit nicht der Realität entspricht. Obwohl viele Religionen ein Glaubensbekenntnis sowie Dogmen und Regeln haben, die den Mitgliedern als Definition „echter“ Juden/Hindus/Buddhisten/Muslime/Christen dienen, gibt es in der postmodernen Gesellschaft nicht eine einzige Institution, die die Macht zur Bestimmung der „Richtigkeit“ der individuellen Vorstellungen von Religion besitzt. Ebenso ist die Vorstellung einer vergangenen religiösen Einheitlichkeit fraglich und stellt womöglich eine Übertreibung dar. Vermutlich hatten auch die Menschen im Mittelalter sehr unterschiedliche Vorstellungen von ihrer Religion. In Dänemark ist es heutzutage üblich, ein Mitglied der Dänischen Volkskirche zu sein, aber gleichzeitig auch Hatha-Yoga-Kurse besuchen und Horoskope lesen zu können sowie Buddha-Figuren auf dem Wohnzimmertisch und einen Traumfänger neben dem Bett zu haben. Die Vermischung von Elementen des Christentums, Hinduismus, Buddhismus und der Religion der US-amerikanischen Ureinwohner ist in den offiziellen Versionen der Religionen im Grunde nicht möglich. In Wirklichkeit aber stellt die Vermischung religiöser Traditionen für Individuen kein Problem dar.

Aus diesem Grund ist eine Unterscheidung zwischen offiziellen und inoffiziellen Religionen möglich. Offizielle Religionen haben Regeln für Orte und Zeiten der Durchführung bestimmter Rituale, die Art der Verehrung eines Gottes und die Gestaltung der Glaubensinhalte. Meist legte die religiöse Elite an einem Punkt in der Geschichte Glaubensbekenntnisse fest, etablierte Rituale und definierte die Umstände der Ritualsausübung. Dennoch erfordern viele Religionen umfassendes Wissen und einen langen Lernprozess, ehe ein Individuum den Ansprüchen der offiziellen Religion genügen kann. Inoffizielle Varianten von Religion hat es schon immer gegeben. Der Glaube an Dämonen und Geister und der Gebrauch von Amuletten, wie etwa der Bibel als magischen Schutz, waren ebenfalls schon früher weit verbreitet. Inoffizielle Varianten von Religion können alles umfassen, was nicht schriftlich fixiert und als „echte Religion“ definiert ist. Daher werden sie oft auch als „Populärreligion“, „Volksreligion“ oder „Aberglaube“ bezeichnet. Dennoch werden sie mindestens genauso häufig – wenn nicht gar öfter – praktiziert als die offiziellen Versionen von Religion. Beim Betrachten von gelebter Religion, also Religion wie sie von herkömmlichen Menschen in ihrem Alltag beschrieben und gelebt wird, entsteht ein anderes Bild vom möglichen Gegenstand der Religion als beim Lesen klassischer von Religionsexperten verfasster Texte. Robert Orsi (*1953) betont das Nebeneinander beider Formen von Religion. Bei der Frage nach der „Natur“ einer Religion müssen daher beide Aspekte betrachtet werden.

Die Texte basieren auf der englischsprachigen Einleitung zu Horisont, einem Lehrbuch für den Religionsunterricht in der gymnasialen Oberstufe in Dänemark. Das Buch wurde von den Lehrbeauftragten Annika Hvithammer und Tim Jensen sowie den Gymnasiallehrern Allan Ahle und Lene Niebuhr herausgegeben und ist 2013 im Gyldendal Verlag in Kopenhagen erschienen. Die Einleitung wurde ursprünglich von Annika Hvithamar und Tim Jensen verfasst.