8. Der Islam zwischen Tradition und Moderne: Aufschwünge und Reformen (Mitte des 19. Jh. bis Anfang des 20. Jh.)

Einführung
Seit dem späten 18. Jahrhundert gehörten Forderungen nach Reformen in islamischen Ländern von Nordafrika bis Indien zur Staatsgeschichte. Die Verbindungen mit der westlichen Welt zeigten ihnen eine „Verzögerung“ in ihrer eigenen Religion auf und man wünschte sich die Emanzipation und Regeneration des Islam. Während des gesamten 19. Jahrhunderts, im Kontext der Kolonialisierungen Europas von Nordafrika bis Indien, lernte der Islam neue Einrichtungen, neue Bildungsformen und neue Fertigkeiten. Nach einer schillernden Vergangenheit wurde die „Schwäche“ der islamischen Gesellschaften neben der europäischen „Aggression“ von den Muslimen als Verfall wahrgenommen. Inwiefern musste sich der Islam – trotz seiner stark weltlichen Kultur und seinen rechtlichen Normen und Richtlinien – mit der Moderne auseinandersetzen? Wie konnte der „Verfallsprozess“ gestoppt werden?
Weltliche und geistliche Denker aller muslimischen Länder fragten nach den Ursachen dieses Prozesses und suchten nach neuen Wegen, dem Islam wieder auf die Beine zu helfen. Sie beweinten weniger die Schwäche der muslimischen Gemeinden, sondern drückten vielmehr ihre Zuversicht aus, dass ihr Glaube wieder an Lebenskraft gewinnen werden könne. Man kennt diese reformatorischen Strömungen unter ihren arabischen Namen Nahda (Renaissance, Wiedergeburt) und Islah (Reform). Die meisten ihrer Pioniere forderten ihre Glaubensbrüder zum Kampf gegen die kulturelle und politische Hegemonie des Westens auf, ohne dabei traditionellen Werten und Quellen zu widersprechen. In den 1920ern gab es auch einen kleineren Trend von Säkularisten, die sich für die radikale Trennung von Religion und Staat sowie für die vernünftige Aufarbeitung der Geschichte und ein religiöses Geschichtsbewusstsein aussprachen. Hieraus entstand ein bedeutendes Korpus an Literatur, welche zwar im Westen weniger bekannt ist, aber dennoch ein Meilenstein auf dem Weg zum – wie es eine ägyptische Formulierung beschreibt – „aufgeklärten“ Islam (al-tanwīr) darstellt.
Quelle 1

Antwort an Renan (1883)

Tatsächlich versuchte die Religion des Islam immer wieder, die Wissenschaft zu unterdrücken und ihren Fortschritt aufzuhalten. Dadurch schaffte sie es, die philosophische oder intellektuelle Bewegung aufzuhalten und die Gedanken von der Suche nach wissenschaftlicher Wahrheit abzuwenden. Wenn ich mich nicht irre, wurde ein ähnlicher Fehler vom Christentum begangen und die verehrten Köpfe der katholischen Kirche noch immer nicht entwaffnet. Nach wie vor kämpfen sie energisch gegen das, was sie den Geist der Verwirrung und des Fehlers nennen. Ich kenne all die Schwierigkeiten, die die muslimische Gemeinde haben wird, um denselben Entwicklungsstand zu erreichen, wo ihr doch der Zugang zur Wahrheit durch philosophische und wissenschaftliche Methoden verboten ist. Ein wahrer Gläubiger muss sich gar vom Pfad der Erkenntnisse abwenden, die als Ziel wissenschaftliche Wahrheit haben, auf denen alle Wahrheitsurteile beruhen müssen, glaubt man der in Europa von zumindest einigen Menschen akzeptierten Meinung. Unterjocht, wie ein Ochse vor einem Pflug, unter dem Dogma, dessen Sklave er ist, muss er auf ewig in der Furche gehen, die für ihn im Voraus durch die Ausleger der Gesetze gegraben wurde. Obwohl überzeugt, dass seine Religion in sich alle Moralität und Wissenschaft beinhaltet, klammert er sich kompromisslos daran und bemüht sich nicht, darüber hinaus zu blicken. Warum sollte er sich durch vergebliche Versuche erschöpfen? Was wäre sein Nutzen aus der Suche nach Wahrheit, wenn er doch überzeugt ist, sie bereits ausnahmslos zu kennen? Wird er glücklicher sein, wenn er seinen Glauben verloren hat, wenn er nicht mehr glaubt, dass alle Perfektionen seiner eigenen und keiner anderen Religion innewohnen? Weshalb verabscheut er die Wissenschaft?
 [...] Dennoch ist es erlaubt, sich zu fragen, warum die arabische Gesellschaft, nachdem sie so ein helles Licht auf die Welt geworfen hatte, plötzlich einfach ausstarb; warum diese Fackel bis jetzt nicht mehr neu angezündet wurde; und warum die arabische Welt immer noch in einer derart starken Dunkelheit steckt. Hier scheint die Verantwortung des Islam erschöpft. Es ist klar ersichtlich, dass – wo auch immer er zur Institution wurde – der Glaube die Wissenschaften unterdrückte und in seiner Ausrichtung bewundernd bedient wurde vom Despotismus.
 [...] In der Erkenntnis, dass das Christentum auf einige Jahrhunderte mehr zurückblicken kann, als der Islam, kann ich jedoch nicht anders, als zu hoffen, dass die mohammedanische Gesellschaft irgendwann ihre Fesseln durchbrechen und wie die westliche Welt den Pfad der Zivilisation weiter beschreiten kann, wo doch auch das Christentum – trotz seiner Strenge und Intoleranz – auch kein unbezwingbares Hindernis war.


Auszug aus: Imperialismus, Wissenschaft und Religion: Zwei Essays von Jamal al-Din al-Afghani, 1883 und 1884. Ins Deutsche übersetzt von Patrick Eger.


Trotz seines Namens wurde Jamāl al-Dīn al-Afghānī (1838-1897) im Iran als Sohn einer religiösen Schiitenfamilie geboren. Westliche Quellen beschreiben ihn als „politischen Aktivisten“ und erbitterten Verfechter der Grundidee muslimischer Gemeinschaften. Er reiste viel, unter anderem nach London, Paris, Sankt Petersburg und von Indien nach Kairo. Al-Afghānī hatte großen Einfluss auf die erste islamische Reformationsphase, zusammen mit 'Abduh (1849-1905) und Rashīd Ridā in Ägypten und mit Iqbāl (1877 – 1938) in Indien. Man nannte ihn den „Erwecker des Ostens“ und seine Anhänger machten ihn zur Gallionsfigur des panarabischen Kampfes gegen den westlichen Imperialismus und zum Pionier des Wiederauflebens des Islam.
Unter welchen Umständen wurden diese Zeilen verfasst? 1883 kam al-Afghānī auf der Suche nach Hilfe gegen die – vor allem britischen – imperialistischen Bewegungen nach Paris. In einem berühmten Brief an ein gelehrtes Publikum, den er an eine große französische Zeitung sandte, nahm er Stellung zu der von Renan abgehaltenen Konferenz zum Thema „Islam und Wissenschaft“ an der Sorbonne am 29. März 1883. Dort unterstützte Renan den Gedanken des „Verfalls islamisch regierter Staaten und der intellektuellen Nichtigkeit von Rassen, deren Kultur und Bildung lediglich auf Religion basieren“. In seiner Einführungsvorlesung am Collège de France (einer herausragenden Bildungs- und Forschungseinrichtung) von 1862 hatte Renan bereits ein Urteil über den Islam gefällt, welches von einem Großteil seiner Zeitgenossen geteilt wurde: „Der Islam ist die vollendetste Verneinung Europas; Islam ist Fanatismus […]. Islam ist die Verachtung von Wissenschaft, die Unterdrückung der bürgerlichen Gesellschaft.“  Um sich selbst den Angriffen konservativer Muslime zu entziehen, weigerte sich al-Dīn al-Afghānī, seinen am 18. Mai 1883 im Journal des débats (Zeitschrift der Debatten) politischen Text ins Arabische übersetzen zu lassen.
In seiner Antwort an Renan erinnerte er seine Leser an das herausragende wissenschaftliche und philosophische Erbe des Islam und auch daran, dass der Islam nicht die einzige Religion sei, die den Fortschritt in der Forschung hemme. Al-Afghānī bezog sich dabei auf die konservative katholische Kirche und ihre Ablehnung progressiver, rationaler und republikanischer Gedanken. Wie viele andere zeitgenössische arabische Gelehrte glaubte er an eine aufgeklärte, fortschrittliche Gesellschaft. Die Völker wurden vom Staat der Barbarei durch die Religion errettet und Religion war ein wichtiger Schritt hin zur Zivilisation. Dennoch teilte al-Afghānī nicht all seine Gedanken zum Islam und zu Wissenschaft in seinem an ein westliches Publikum gerichteten Text. 1881 verteidigte er sogar eine Vormachtstellung des Islam in seinem Buch Widerlegung der Materialisten. Darin nennt er einige Gegner des Islam, die die „Göttlichkeit verneinen“, insbesondere die Philosophen der Aufklärung und Darwin. Wissenschaft war demzufolge nur im Kontext der prophetischen Offenbarung zulässig. Für al-Afghānī konnte eine Errettung der Glaubensgemeinde nur durch eine Rückkehr zum „wahren Kern“ des Islam gelingen.

Quelle 2

Ablehnung des Taqlīd und Verteidigung des 'Ijtihād, von Muhammad Rashīd Ridā

Durch die Ablehnung des taqlīd* implizieren wir keinesfalls, dass jeder Muslim durch eine Änderung der die Gesellschaft betreffenden Gesetze ein Mālik oder Shāfi'ī werden kann oder dass jeder dies tun sollte. Wir meinen lediglich, dass ein jeder Muslim dazu verpflichtet ist, über den Koran zu reflektieren und je nach seinen Möglichkeiten von ihm geleitet werden sollte. In keinem Fall ist es ihm erlaubt, dem Koran den Rücken zu kehren oder dem, was er von seiner Führung versteht, die Worte eines anderen – sei es ein mutjahid** oder seien es Praktizierende des taqlīd – vorzuziehen […].
Wären die Muslime in allen Epochen standhaft in der Reflexion über den Koran und in seiner Führung geblieben, so wären ihre Moral und ihre Sitten nicht zerstört worden, ihre Anführer wären nicht so despotisch gewesen, ihre eigene Autorität wäre nicht verfallen.

* Taqlid: Nachahmung und totale Akzeptanz der Weisung einer gesetzlichen Autorität
** Mujtahid: Muslime, deren theologische Kenntnis es ihnen erlaubt, islamisches Gesetz zu in-terpretieren, indem sie eine begründete persönliche Meinung (ijtihād) abgeben.


Auszug aus Tafsīr al-Manār 5, 297 von Muhammad Rashīd Ridā. Ins Deutsche übersetzt von Patrick Eger.

Rashīd Ridā (1900-1935), ein syrischer Gelehrter, war ein Anhänger von al-Afghānī und Muhammad 'Abduh. Als engagierte Persönlichkeit hielt er viele Konferenzen und produzierte Veröffentlichungen und Gegenschriften. Zusammen mit 'Abduh, einem reformatorischen Religionsgelehrten, gründete er die Zeitschrift al-Manār. Gelehrte, die darin veröffentlichten, produzierten gemeinsam ein Kommentarwerk des Koran in 12 Bänden, welches unter dem Namen Tafsīr al-Manār bekannt wurde und fast ein Drittel des Koran abdeckte. Dies war seit der Mitte des 19. Jahrhunderts der erste bedeutende tafsir [siehe Islam I, Seite 4]. Er sollte den Muslimen des 20. Jahrhunderts den Zugang zum Begriff der „Reform“ (islāh) und deren Aufspaltung erleichtern: Religiöse Reform (dīnī), bürgerliche Reform (madanī), politische Reform (siyāsī). Die Zeitschrift erfüllte zwei Aufgaben (farīdatān): Verteidigung und Propagierung des Islam, sowie den Ruf nach muslimischer Einigkeit” (Zitat von Ridā).
In seiner Exegese erinnerte er daran, dass der 'ijtihad [siehe Islam I, Seite 7] fester Bestandteil des Koran und somit obligatorisch für jeden Muslim ist. Diese Praktik war keineswegs nur den Spezialisten (mujtahid) vorbehalten, jeder Muslim sollte ihre Grundidee im Einklang mit dem islamischen Gesetz (sharī'a) leben und verbreiten. Der taqlīd der Überlieferung wurde dem tajdīd (Erneuerung) gegenübergestellt, da er als „unterwürfig“ und für das Stagnieren der islamischen Gesellschaft verantwortlich gesehen wurde. Damit wurde er zur Hauptursache des islamischen Verfalls, der trotz dem zunehmenden Einklang mit der Wissenschaft weiter fortschritt.

Quelle 3

Der Islam und die Fundamente der Staatsführung, von 'Alī Abd al-Rāziq

Somit war die Vollmacht des Propheten über die Gläubigen eine Vollmacht der prophetischen Sendung, ungetrübt von irgendeinem Aspekt menschlicher Herrschaft.
Alles andere ist weit gefehlt! Zu seiner Zeit gab es weder Staat noch Regierung; weder Zwistigkeiten der Politik, noch Ambitionen der Könige und Fürsten.
 (...) Der Titel des "Kalifen" (Nachfolger und Stellvertreter des Propheten) und die Umstände, die seine Verwendung begleiteten, (...) sind ursächlich für den Irrtum, der sich unter der Masse der Muslime verbreitete und sie glauben machen ließ, dass dem Kalifat eine religiöse Funktion zukomme und dass demjenigen, der die Macht unter den Muslimen innehat, ein Rang zuzubilligen sei, der ausschließlich dem Propheten selbst vorbehalten ist. (...) Es ist im Interesse der Könige, solch Blendwerk in der Bevölkerung zu verbreiten, um die Religion als Mittel zur Verteidigung ihrer Throne und als Mittel zur Unterdrückung ihrer Gegner zu nutzen.
(...)
Das ist das Verbrechen der Könige und das Ergebnis ihrer despotischen Herrschaft: Im Namen der Religion ließen sie die Muslime verloren gehen, verbargen ihren Augen die Wege zur Wahrheit, und hielten ihnen das Licht der Erkenntnis fern. Im Namen der Religion haben sie sie getäuscht und legten ihrer geistigen Tätigkeit alle möglichen Hindernisse in den Weg. Dies ging so weit, dass sie ihnen jed­wedes Bezugssystem außerhalb der Religion vorenthielten.
(...)
Nicht im geringsten hindert die Religion die Muslime, mit den anderen Nationen auf sämtlichen Gebieten der gesellschaftlichen und politischen Wissenschaften in Wettstreit zu treten – jenes alte System niederzureißen, welches sie in Erniedrigung und Unterwürfigkeit gehalten hat, und stattdessen die Grundlagen ihrer Politik und die Ordnung ihrer Regierung auf den neuesten Schöpfungen menschlicher Intellekte aufzubauen sowie auf dem, was durch die Erfahrungen der Nationen als optimale Prinzipien der Herrschaft erwiesen worden ist.

Der Islam und die Grundlagen der Herrschaft, in Andreas Meier, Der politische Auftrag des Islam. Programme und Kritik zwischen Fundamentalismus und Reformen. Originalstimmen aus der islamischen Welt. Peter Hammer Verlag: Wuppertal 1994, S. 113 – 114. Mit Einleitung des Hg. Teilweise in deutscher Übersetzung von Felix Petzold.


Die Frage des Kalifats – in Literatur zum islamischen Recht nur selten angesprochen – war die Ursache der ersten großen Teilungen und Schismen innerhalb des Islam nach dem Tod Mohammeds im Jahr 632. Vierzehn Jahrhunderte später wurde das türkische Kalifat in einem Gesetz vom 3.3.1924 abgeschafft. Dieses bedeutende Ereignis stellte das Ende der sunnitisch-islamischen Staatsgewalt dar, die das Land seit dem 7. Jahrhundert regiert hatte. Diese Situation, die so nie zuvor in der muslimischen Welt erlebt worden war, entfachte Debatten und bewirkte eine Revision der Institution in den 1920ern. War dies der Beginn der modernen Ära politischer Regime? Sollte das Kalifat wieder eingesetzt werden? Und für welche Autoritäten und welche Menschen?
'Alī Abd al-Rāziq war der Sohn einer großen ägyptischen Familie. Als Absolvent von al-Azhar des Jahrgangs 1911 sprach er sich gegen islamische Theorien zum Kalifat aus und bezog sich dabei auf weltliche Konzepte und historische Modelle. Diese Form der Machtausübung war tief verankert im geschichtlichen und religiösen Bewusstsein der Muslime. Einige Gelehrte argumentierten, dass der Kalif seine Autorität direkt von Gott zugesprochen bekäme. Andere vertraten die Ansicht, dass seine Macht auf dem gemeinschaftlichen Konsens (ijma') basiere. Sein 1925 veröffentlichtes Buch bewirkte sofort entschiedene Reaktionen und Widerlegungen, schließlich wurde der Autor gar aus dem Kreis der ulamā’s ausgeschlossen.
In welchem Kontext wurde dieses Werk veröffentlicht? Wir befinden uns in den Nachwehen des Ersten Weltkriegs, als die Neuverteilung der westlichen Besatzungszonen in muslimischen Ländern den arabischen Nationalismus förderte. Es entstanden politische Parteien für die Massen, wie die Wafd in Ägypten, die auf einem nationalistischen, liberalen und weltlichen Programm basierten. Ab 1922 offiziell unabhängig, stand Ägypten de facto nun unter britischer Herrschaft und richtete 1923 eine konstitutionelle Monarchie ein. Auch hier wurde das Kalifat abgeschafft und somit die islamische Welt destabilisiert.
 ‘Alī Abd al-Rāziq erörterte die Machtfrage im Islam nach seiner Rückkehr von einem Studienaufenthalt in Oxford. Nach einer umfassenden Darstellung auf Basis der überlieferten Texte und der Geschichte des Kalifats seit den Rechtgeleiteten, stellte er die Frage nach dem Ursprung und dem Charakter des Kalifats. Er skizzierte auch andere religiöse Theorien, von Ibn Khaldūn bis zu seinem Zeitgenossen Rashīd Ridā.
Seine Argumentation fußte auf drei Hauptpunkten:
- Mohammed wurde die prophetische Mission aufgetragen, eine Botschaft zu übermitteln. Mit seinem Tod endete diese Mission. Seine herausragende Macht – außerordentlich, wie die eines jeden Propheten – eröffnete allerdings keine spezifische Form von Regierung.
- Nach den Propheten erhob der Islam die Rechtgeleiteten zu den Protagonisten einer Regierungsform. Mit der Überlieferung wurde diese Beziehung sakralisiert. Theologen entschieden, dass das Kalifat als Einrichtung unabdingbar sei, um das Gemeinwohl und ordentliches Praktizieren der Religion zu gewährleisten.
- Das Kalifat war jedoch eine menschengemachte politische Einrichtung und stand in keiner Verbindung zur Religion. War das Kalifat der Rechtgeleiteten noch ein geschichtsträchtiges Moment, so wurde es dennoch bald um ein auf „unterdrückender Gewalt“ mit despotischem Charakter basierendes Reichskalifat erweitert.
Abd al-Rāziq schloss mit der Behauptung, dass Religion von der Ausübung von Staatsgewalt zu trennen sei und rief die Muslime dazu auf, moderne politische Staatsformen zu gründen, die mit Vernunft erklärbar sind.