5. Die Schia

Einführung
Nach dem Tod des Propheten Mohammed im Jahr 632 musste die muslimische Gemeinde mangels eindeutiger Regeln bezüglich der Ernennung seines Nachfolgers (also des Kalifen) einen solchen „be-liebig“ wählen. Diese Wahl wurde zum Vorläufer einer Fitna, einer bedeutenden Spaltung zwischen den Muslimen mit Bruderkriegen zwischen 657 und 680. Dies war der Ursprung des Schiismus, der ältesten religiösen Sekte des Islam. In seinen mannigfaltigen Formen stellt der Schiismus heutzutage 10 – 15% der Muslime weltweit. Die bedeutendste schiitische Bewegung ist die Zwölfer-Schia.
Quelle 1

Sunniten und Schiiten weltweit


Grün: Sunniten Rot: Schiiten Blau: Ibaditen

Wikimedia Commons. Verwendbar unter den Bedingungen der GNU Free Documentation License
Lizensiert nach Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported
abrufbar unter: : http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Islam_by_country.svg (Zugriff am 5.1.15)

Ungefähr 11 bis 15 Prozent aller Muslime sind Schiiten. Im Iran, dem Land mit der größten schiitischen Gemeinde, wurde die Schia im frühen 16. Jahrhundert zur Staatsreligion. Im Irak stellen die Schiiten mit 55% die Mehrheit der Bevölkerung, ebenso in Bahrain (50 – 60%) und im Libanon. Deutlich in der Minderheit sind sie dagegen in der Türkei, in Aserbaidschan, im arabischen Nahen Osten, in der ostafrikanischen Küstenregion, in Indien und in Pakistan. In den sunnitisch geprägten arabischen Staaten zählen Schiiten oft als „Bürger zweiter Klasse“. Ihre duale religiöse und arabische Identität bewirkt Spannungen, die durch die geopolitische Situation nur verschärft werden. Seit der Muslimi-schen Revolution im Iran kräftigt die “Wiedergeburt der Schia“ die Einigkeit der sunnitischen Staaten außerhalb Arabiens gegen den „schiitischen Halbmond“.

Quelle 2

Prozession der Āshūrā in Pakistan

Wikimedia Commons. Verwendbar unter den Bedingungen der GNU Free Documentation License
Lizensiert nach Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported
abrufbar unter: : http://commons.wikimedia.org/wiki/File:PICT0871.jpg (Zugriff am 5.1.15)

Das Feiern der Āshūrā' (am zehnten Tag des Monats Muharram im islamischen Kalender) ist ein Ritus der Erinnerung an den Märtyrer Huseyn, Sohn von ‘Alī und Fātima und Enkel des Mohammed. Er starb im Kampf gegen die Umayyaden in Karbalā in der Nähe des Euphrat. Wie auch andere Heerführer der Quraisch weigerte er sich, den Eid der Unterwerfung unter den zweiten Umayyaden Yazīd im Jahr 680 zu sprechen. Er wurde von einem Pfeil getroffen und schließlich geköpft. Dieses Bild entstand im östlichen Karachi am Tag der 'Āshūrā'. Eine Menschenmenge marschiert entlang einer großen Allee. Als Zeichen der Trauer tragen die Männer schwarze Hemden und einige geißeln sich gar mit Ketten, Seilen oder sogar Messern.

Quelle 3

Ein verbreitetes Bild der Imame der Zwölfer-Schia

Wikimedia Commons. Verwendbar unter den Bedingungen der GNU Free Documentation License Lizenzfrei
Abrufbar unter: : http://commons.wikimedia.org/wiki/File:The_Twelve_Imams.jpg (Zugriff am 5.1.15)

Die Wahl der ersten Kalifen, also der Nachfolger Mohammeds, wurde von den Schiiten (den Unterstützern) um ‘Alī abgehalten, welcher seines Zeichens der Schwiegersohn des Propheten und derselben Gemeinde zugehörig war. Er wurde zum vierten Kalifen ernannt und 661 ermordet. Mu'āwiya, Gouverneur von Damaskus, wurde der direkte Nachfolger und gründete die Dynastie der Umayyaden. Die historischen Imāme stammen von ‘Alī und seinen Söhnen Hasan und Huseyn ab. Innerhalb der Schia finden sich verschiedene Entwicklungen bezüglich der Erblinie und der Anzahl der Imāme, die anerkannt werden. Auf diesem verbreiteten Bild es zwölf, daher auch der Name ‚Zwölfer-Schia‘. ‘Alī, der erste Imām, steht vorne in der Mitte. Über ihm sind sein älterer Sohn Hasan und der jüngere Huseyn in einem Medaillon dargestellt. Der Kopf des zwölften Imām, geboren 869, ist von einem weißen Kreis verborgen. Der schiitischen Theologie zu Folge wird eben dieser auf die Erde zurückkehren um Gerechtigkeit und Frieden wiederherzustellen. Jeder Imām kniet auf einem weißen Gebetsteppich, dem Symbol der Reinheit ihrer Herzen. Für Muslime ist der Koran das vom Himmel herabgesandte Wort. Die beiden Engel erinnern an den göttlichen Ursprung der Offenbarung.

Quelle 4

Die Mission des "Rechtsgelehrten" (faqīh) nach Ayatollah Khomeini

Der Begründer der Islamischen Republik unterscheidet zwischen zwei Arten der Weisung in seiner Abhandlung: Zwischen Weisungen nach der Scharia und der Regierungsweisung. Weisungen nach der Scharia […] wurden von Gott selbst formuliert. Beispiele dafür sind das Gebet, das Fasten und die Pilgerreise. In diesem Bereich traf der Prophet keinerlei Entscheidungen. Seine Funktion lag in der Ausführung dieser Weisungen. Somit ist Beten Gehorsam gegenüber Gott. Die Anordnungen des Propheten dagegen sind Regierungsweisungen: All das, was das Militär, Grenzen und Steuern etc. betrifft. Gleichwohl fordert Gott auch Gehorsam gegenüber dem Propheten und den 12 Imamen. Außerdem, um dem velāyat-e-faqīh […] gerecht zu werden, versicherte Ayatollah Khomeini, dass die Macht – also die Führung des Staates und die Anwendung der Regeln der Scharia – einem gerechten und frommen Anführer anvertraut wird. […] Dieser Auftrag wurde ihm durch Gott ohne jeglichen Mittler übertragen und er behält seine Gültigkeit bis zur Rückkehr des Zwölften Imams. Damit behält das bestehende Führungsgesetz des Propheten und der Imame für die faqîh seine Gültigkeit. Damit ist, um das Land nach Gottes Willen zu leiten, die islamische Autorität die Befehlshaberin und muss von allen, auch den anderen faqîh, als solche akzeptiert werden.

Azadeh Kian-Thiébaut « Le statut de la charia en Iran :de l'islamisme au postislamisme », 2001. Trans. Marie Lebert. http://www.jurispolis.com/dt/mat/dt_ir_charia.htm
(Zugriff am 5.1.15) .

Die Schia tauchte 1979 auf internationaler politischer Ebene auf, als die Islamische Revolution im Iran dessen Schah stürzte. Die politische Ideologie der Schiiten folgte dem theoretischen Konzept der ve-lāyat-e-faqīh (Regierung durch Geistliche). Der Staatsgewalt wurde ein spiritueller Führungskörper in Form eines direkten Erben des ersten Imām vorangestellt. Das erste „Staatsoberhaupt“ war Ayatollah Khomeini (1989 verstorben), ein Gelehrter aus der rechtlichen Theologie (faqih). Seine Theorie der Regierung durch Geistliche wurde nicht von allen großen Ayatollahs im Libanon, Irak oder gar im Iran einstimmig geteilt.