3. Die Bekenntnisse und das Dogma
Das Christentum ist eine der wenigen Religionen, die ein Glaubensbekenntnis oder Credo (lat. „ich glaube“) als mündlich formulierte Bekennung zu den Grundsätzen ihres Glaubens definiert haben. Seine Akzeptanz (und Betonung) war ein wichtiger Teil des Christentums. Das Bekenntnis wurde erst nach ausgiebigen Debatten in den ersten Jahrhunderten vollendet, während sich das Dogma (von der Kirche als göttlich eröffnet deklarierte Lehren) immer noch weiterentwickelte.
Das Niceano-Konstantinopolische Glaubensbekenntnis (381)
Wir glauben an den einen Gott,
den Vater, den Allmächtigen,
der alles geschaffen hat, Himmel und Erde,
die sichtbare und die unsichtbare Welt.
Und an den einen Herrn Jesus Christus,
Gottes eingeborenen Sohn,
aus dem Vater geboren vor aller Zeit:
Gott von Gott, Licht vom Licht,
wahrer Gott vom wahren Gott,
gezeugt, nicht geschaffen,
eines Wesens mit dem Vater;
durch ihn ist alles geschaffen.
Für uns Menschen und zu unserem Heil
ist er vom Himmel gekommen,
hat Fleisch angenommen
durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria
und ist Mensch geworden.
Er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus,
hat gelitten und ist begraben worden,
ist am dritten Tage auferstanden nach der Schrift
und aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten des Vaters
und wird wiederkommen in Herrlichkeit,
zu richten die Lebenden und die Toten;
seiner Herrschaft wird kein Ende sein.
Wir glauben an den Heiligen Geist,
der Herr ist und lebendig macht,
der aus dem Vater (und dem Sohn) hervorgeht,
der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird,
der gesprochen hat durch die Propheten,
und die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche.
Wir bekennen die eine Taufe zur Vergebung der Sünden.
Wir erwarten die Auferstehung der Toten
und das Leben der kommenden Welt.
Amen.
Denzinger, Heinrich; Hoping, Helmut; Hünermann, Peter (1991): Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen. 37. Aufl. verb., erw. ins Deutsche übertragen von Peter Hünermann unter Mitarbeit von Helmut Hoping; hrsg. von Peter Hünermann. Freiburg i. B.: Herder, Nr. 125f, 40.
Aus dem Konzil von Konstantinopel ist ein Bekenntnis hervorgegangen, welches eine Sammlung von Formeln darstellte, die den christlichen Glauben zusammenfassen. Obwohl es dem Konzil historisch zugeordnet wird, wurde keine offizielle Schrift hinterlassen und kein zeitgenössisches Dokument gefunden, welches seine Existenz bestätigt. Es erschien lediglich als Bekenntnis in den Beschlüssen des Konzils von Chalkedon 451. Einige Gelehrte zweifeln den Ursprung des Texts in Konstantinopel an, dennoch ist man sich grundsätzlich einig, dass das Credo, wie man es kennt, ursprünglich auf diesem Konzil formuliert wurde. Das Credo formulierte Schlüsselelemente, die auf dem Konzil von Nicäa (321) definiert worden waren, darunter auch die Lehre der Wesensgleichheit der Dreifaltigkeit. Hierbei sollte es (insbesondere gegen Arius) bekräftigen, dass der Sohn „von einer Substanz“ mit dem Vater ist und nicht von ihm „geschaffen“. Der Begriff war neu und nicht in der Schrift ersichtlich. Dennoch wurde er vom Großteil der Bischöfe in Nicäa aufgenommen. Das Bekenntnis unterschied sich auch in manchen Punkten von den Inhalten aus Nicäa: Unter anderem geht es auf den Heiligen Geist ein und proklamiert dessen Göttlichkeit. Das Konzil kam zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu dem Schluss, dass der Heilige Geist auch aus dem Sohn (nicht nur aus dem Vater) hervorgeht. Diese Frage (Filioque) tauchte erst später im westlichen Christentum auf und wurde zu einem Streitpunkt zwischen der westlichen und östlichen Kirche. Gegen Ende des 6. Jahrhunderts wurde das Bekenntnis in Spanien insofern angepasst, dass es von nun an das Hervorgehen des Heiligen Geistes aus Vater und Sohn besagt. Unter Karl dem Großen wurde diese Änderung im Westen länderübergreifend anerkannt und im frühen 11. Jahrhundert vom Papst für gut befunden. Bis heute lehnt das griechische Christentum diese Lehre ab. Das Bekenntnis wurde ursprünglich in der ersten Person Plural („Wir“) verfasst; erst später setzte sich die Formulierung in der ersten Person Singular („Ich“) durch, um den individuellen Charakter des Glaubensbekenntnisses zu betonen.
Die 21 ökumenischen Konzile
Ökumenisches Konzil | Jahr | Themen u. Beschlüsse |
Nicaea I | 325 | Ablehnung des Arianismus |
Konstantinopel I | 381 | Bekräftigung des Konzils von Nicaea |
Ephesus | 431 | Verurteilung des Nestorianismus |
Chalkedon | 451 | Einführung der Zwei-Naturen-Lehre (Dyophysitismus) |
Konstantinopel II, III | 553 680-681 |
Ablehnung nestorianischer Einflüsse |
Nicaea II | 787 | Ablehnung des byzantinischen Ikonoklasmus (Bildersturm) |
Konstantinopel IV | 869-870 | Verurteilung der Spaltung durch den Patriarchen Photius |
Lateran I, II, III, IV | 1123, 1139, 1179, 1215 | Regelung des Investiturstreits. Reform der westlichen Kirche. Irrlehren (Waldenser, Katharer) verurteilt. Definition der eucharistischen Lehre. |
Lyon I, II | 1245, 1274 | Amtsenhebung des Kaisers Friedrich II. Vereinigung mit den Kirchen des Ostens. |
Wien | 1311-1312 | Auflösung des Templerordens. Reform der Bettelorden. |
Konstanz | 1414-1418 | Beschluss des Abendländischen Schisma. Verurteilung von Wycliffe und Hus. |
Basel, Ferrara, Florenz, Rom | 1431-1445 | Wiedervereinigung mit den Kirchen des Ostens. |
Lateran V | 1512-1517 | Reform des Klerus, Bewilligung des Konkordats von Bologna mit Franz I. von Frankreich. |
Trient | 1545-1563 | Reform der katholischen Kirche |
Vatikan I | 1869-1870 | Glaube und Vernunft. Primat und Unfehlbarkeit des Papstes. |
Vatikan II | 1962-1965 | Aufschwung der katholischen Kirche. Glaubensfreiheit. |
Dogmatische Konstitution-Bulle Munificentissimusdeus
44 Nachdem Wir nun lange und inständig zu Gott gefleht und den Geist der Wahrheit angerufen haben, verkündigen, erklären und definieren Wir zur Verherrlichung des Allmächtigen Gottes, dessen ganz besonderes Wohlwollen über der Jungfrau Maria gewaltet hat, zur Ehre seines Sohnes, des unsterblichen Königs der Ewigkeit, des Siegers über Sünde und Tod, zur Mehrung der Herrlichkeit der erhabenen Gottesmutter, zur Freude und zum Jubel der ganzen Kirche, kraft der Vollmacht Unseres Herrn Jesus Christus, der heiligen Apostel Petrus und Paulus und Unserer eigenen Vollmacht:
Die unbefleckte, immerwährend jungfräuliche Gottesmutter Maria ist, nachdem sie ihren irdischen Lebenslauf vollendet hatte, mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen worden.
Dogmatische Konstitution-Bulle Munificentissimusdeus (November 1, 1950), 44.
Aus: Cattin, Paul; Rohrbasser, Anton (1953): Heilslehre der Kirche. Dokumente von Pius IX. bis Pius XII. Deutsche Ausgabe des französischen Originals von P. Cattin O.P. und H. Th. Conus O.P. besorgt von Anton Rohrbasser. Freiburg (Schweiz): Paulusverl., S. 328 – 347.
Die apostolische Verfassung, deren lateinischer Titel „Der unendlich freigiebige Gott“ bedeutet, entwickelte das Dogma der Himmelfahrt der Jungfrau Maria. Sie bezieht sich auch auf das vorherige Dogma der unbefleckten Empfängnis von 1854. Um dieses neue Dogma zu formulieren, verwies Papst Pius XII. (Pontifikat von 1939 – 1958) auf die Autorität Jesu, die einst in Petrus und Paulus überging und die alle Päpste seit jeher als deren rechtmäßige Nachfolger für sich beanspruchten. Es war das erste (und bis heute einzige) Mal, dass der Papst die päpstliche Unfehlbarkeit ins Spiel brachte: Ein Dogma anno 1870, welches besagt, dass ein Papst in der Ausübung seines Amtes ex cathedra, also wenn er Lehren unter Berufung auf seine göttliche Gelehrtheit und apostolische Autorität ausspricht, unfehlbar ist.
Das Dogma der Mariä Himmelfahrt welches erst spät in der Geschichte der katholischen Kirche definiert wurde (es wird in keiner anderen Konfession anerkannt), basiert auf der antiken Annahme, dass Maria keinen physischen Tod gestorben ist und sofort in den Himmel aufgefahren ist. In den vier kanonischen Evangelien findet sich keine Information über das Ableben Marias. Dennoch finden sich Hinweise in den „apokryphen“ Schriften, die als Transitus Mariae bekannt sind; die frühesten werden im 5. Jahrhundert verortet, obwohl sie wahrscheinlich an Überlieferungen aus dem 2. Jahrhundert anknüpfen. Obwohl sie (insbesondere im Westen) nicht anerkannt werden, spielen sie gerade in der griechischen Liturgie eine große Rolle, insbesondere als Inspiration für die Koimesis Theotokou (die Einschlafung der Gottesmutter), einen orthodoxen Feiertag am 15. August. Auch im Westen wurde die Himmelfahrtsfeier nach und nach eingeführt, ebenfalls am 15. August. Obwohl beide Feiertage die gleiche Grundlage haben, sind sie nicht identisch: In der orthodoxen Überlieferung ist Maria durchaus auch körperlich gestorben; außerdem wurde die westliche Himmelfahrtsfeier mit der unbefleckten Empfängnis, welche vom Osten abgelehnt wird, in Verbindung gebracht. Es sollte an dieser Stelle erwähnt werden, dass der Papst im Dogma der Himmelfahrt die neutrale Phrase der „Vollendung ihres irdischen Lebenszyklus“ verwendet und somit keine klare Stellung zum Ableben Marias bezieht. Als religiöses Phänomen inspirierte die Himmelfahrt viele Künstler.