9. Christen weltweit
Mit 2,5 Milliarden Anhängern, das ist ein Drittel der Menschheit (Stand 2010), ist das Christentum die größte der Weltreligionen. Seine territoriale Expansion endete im 20. Jahrhundert. Die Christenheit sieht sich aber im Inneren tiefgreifenden Veränderungen ausgesetzt: Zuwachsraten in den Entwick-lungsländern, abnehmende Mitliederzahlen in den traditionsreichen christlichen Häuser des Nordens, das Erstarken der anderen Religionen…
Die christlichen Glaubensgemeinschaften der Welt
Die hier gezeigten Karten basieren auf Daten, die von einem Team um David B. Barrett gesammelt wurden. Barrett war ein anglikanischer Geistlicher, der eine Aufzeichnung der globalen Stellung der Religionen auf Basis der sogenannten Missiometrics anstrebte. Das Ziel dieser Wissenschaft ist es, die Entwicklung der Übertritte zum Christentum von 1800 bis 2025 zu messen bzw. zu prognostizieren. Der zugrundeliegende Datenbestand wurde aus Daten zusammengestellt, die nationale und interna-tionale Behörden veröffentlicht haben. Soziologen kritisieren, dass diese Methode nicht wissenschaft-lich, sondern religiös und in diesem Fall evangelikal fundiert sei: In der Verbindung zwischen der Wiederkunft des Herrn und der Zahl an Christen, die dann ein bedenkliches Hoch erreichen wird. Die entwickelten Messverfahren würden es somit ermöglichen, den kalendarischen Zeitpunkt biblischer Prophezeiungen zu bestimmen. Obwohl das Projekt an sich diskutabel ist, liefert es die einzigen verfügbaren globalen Zahlen dieser Art und bietet eine statistisch präzise Grundlage.
Questions internationales, Nr. 29, Le christianisme dans le monde, Januar/Februar 2008
Roberto Gimeno und das Atelier de cartographie de Sciences Po, November 2007
http://www.ladocumentationfrancaise.fr/cartes/religions/c001024-les-chretiens-dans-le-monde-1995 [1a]
http://www.ladocumentationfrancaise.fr/cartes/religions/... [1b]
(Zugriff am 8.12.14)
Der Anteil an Christen weltweit
http://www.ladocumentationfrancaise.fr/cartes/religions/c001026-part-de-chretiens-dans-le-monde-1995 (08/12/2014)
Evangelikalismus in Brasilien
Der Inhalt dieses Dokuments stammt aus einem Artikel, der im Témoignage Chrétien (frz. „christlicher Zeuge“) erschienen ist, einer einmal die Woche erscheinenden Zeitschrift, die sich kritisch mit den etablierten Institutionen auseinandersetzt und den Dialog zwischen den Religionen fördert. Er behan-delt das Wachstum und die innerliche Verschiedenheit der evangelikalen Bewegung und betont auf eine bemerkenswerte Weise die Schwierigkeiten der etablierten Kirchen, attraktiv für ihre Mitglieder zu sein.
Obwohl es mit seiner Population von 123 Millionen Katholiken (von insgesamt 194 Millionen Einwohnern) das weltweit größte katholische Land bleibt, erfährt Brasilien seit einiger Zeit ein exponentielles Wachstum des Evangelikalismus, ähnlich wie der gesamte südamerikanische Kontinent.
Dem Brasilianischen Amt für Statistik (IGBE) zu Folge, welches alle zehn Jahre einen Zensus der Religionen erhebt, ist der Anteil an Katholiken in zehn Jahren um zehn Prozentpunkte gefallen: Von 74% im Jahr 2000 auf 64,6% im Jahr 2010 (im Vergleich zu 92% der Brasilianer, die sich noch 1970 als Katholiken sahen). Dagegen ist die Zahl der Evangelikalen stark angestiegen, in Zahlen von 5% auf 22% der Gesamtbevölkerung in 40 Jahren. Unter den 27 Bundesstaaten in Brasilien hat Rio alle Rekorde gebrochen: Dort bekennen sich mittlerweile unter 46% der Bevölkerung als katholisch […].
Die evangelikalen Kirchen haben besonders in ärmeren Gegenden an Boden gewonnen: In den wohlhabenderen Vierteln Rios identifizieren sich immer noch mehr als drei Viertel der Bevölkerung mit dem katholischen Glauben. „Diese Kirchen sind biegsamer, porös und können sich je nach Gusto in jedes Gebiet verlagern. Sie bieten Geselligkeit, Gemütlichkeit und ein großes unterstützendes Netzwerk“, sagt Rafael Soares Garcia, Geschichtswissenschaftler und Jurist an der Päpstlich Katholischen Universität von Rio de Janeiro (PUC), der auch ein Spezialist im Bereich der Favelas ist.
Pater Manuel Manangão, der als bischöflicher Vikar für soziale Angelegenheiten in der Erzdiözese von Rio verantwortlich ist, erkennt, dass evangelikale Kirchen mehr Nähe zu den Anwohnern demonstrieren. „Die Leute in diesen armen Gegenden leiden an diversen Mangelsituationen. Und die katholische Kirche ist nicht immer da, um Lösungen zu liefern. Die Gläubigen wenden sich dann an die, die vor Ort sind und manchmal sind das diese evangelikalen Gruppen“, sagt er leicht beschämt […].
Abgesehen von ihrer starken Präsenz ist der Erfolg der Evangelikalen auch mit der Vielfalt ihrer Kirchen zu erklären. Von den „Assemblies of God“ über die „Contemporary Christian“-Bewegung bis hin zur “Universal Church of the Kingdom of God”, unterscheiden sich die Perspektiven auf die Gesellschaft, die Welt und das Leben mitunter stark, stehen einander manchmal gar gegenüber […].
Die Ausübung ihres Glaubens ist spektakulär und die Teufelsfigur ist omnipräsent. An diesem Juniabend lädt in Vidigal der neocharismatische Prediger das Publikum übers Mikrofon dazu ein, die Arme gen Himmel zu strecken und „Komm herab zu mir, Jesus, komm herab zu mir!“ zu rufen. Wenig später kommen besessene Kirchenmitglieder auf die Bühne, der Teufel wird von allen unisono vertrieben, Leute schreien, Leute weinen.
Für Pater Ricardo, Kurator einer der benachbarten katholischen Kirchen, sind die Predigten und Gottesdienste der evangelikalen Kirchen einfach ergreifender. Bei den Katholiken sei der mündliche Diskurs deutlich distanzierter, gemäßigter.
Sich des evangelikalen Phänomens durchaus bewusst, hat die katholische Kirche begonnen, Wege zu erarbeiten, damit umzugehen. Unter den dadurch entstandenen Initiativen ist das „Catholic Charismatic Renewal“, eine Bewegung, die Katholiken vereint und einige Praktiken aus den Gottesdiensten der Pfingstbewegung emuliert. Somit treffen sie sich jeden Montagabend in kleinen Gruppen in der Kirche von Vidigal, in einer Atmosphäre, die sich deutlich von der einer gewöhnlichen Sonntagsmesse unterscheidet. „Der Diskurs ist offener, wir beten auf unterschiedliche Arten“, sagt Alexandra, deren 13-jährige Nichte einige Gebete auf der Gitarre begleitet.
Melanie Ferreira, "Rio de Janeiro, the most Evangelical of Catholic cities", Témoignage chrétien, 20. Juli 2013. Ins Englische übersetzt von Christopher S. Wheatley. Deutsche Übersetzung von Patrick Eger.
http://temoignagechretien.fr/articles/rio-de-janeirola-plus-evangelique-des-villes-catholiques (Zugriff am 8.12.2014)