4. Die Christliche Welt des Westens

Einführung
Aufgrund des Niedergangs des Weströmischen Reichs im Jahr 476 entstanden eine Vielzahl an König-reichen, die eine politische (und kulturelle) Landschaft formten, die sich vom Osten, wo das Reich bis 1453 Bestand haben sollte, unterschied. Infolgedessen entwickelte sich das Christentum in Ost und West auf unterschiedliche Weise. Die öku-menischen Konzile, die Bischöfe unterschiedlicher Herkunft und Prägung vereinten, wurden abge-schafft, wodurch die Möglichkeit eines sich fortsetzenden Dialogs deutlich eingeschränkt wurde. Ebenso trug dazu auch die sich auf beiden Seiten verschlechternde Sprachfertigkeit in Griechisch und Latein bei. Die Sprachgrenze lag dabei im Bereich des heutigen Bosniens. Ein westliches (lateinisches) Christentum entwickelte sich parallel zu einem östlichen (griechischen) Christentum. Über die Zeit waren die wechselseitigen Beziehungen Schwankungen unterworfen; die beidseitige Entfremdung wurde nach und nach größer. Diese Seite widmet sich der westlichen Tradition, die folgende der östlichen. .
Quelle 1a

Silvester und Konstantin

Die Konstantinische Schenkung zählt zu den berühmtesten Fälschungen. Sie wurde im 8. Jahrhundert verfasst, zu einer Zeit, in der das Papsttum seine politischen Bestrebungen rechtfertigen wollte. Der Text, der lange Zeit für authentisch gehalten wurde, wurde in das Decretum Gratiani aufgenommen, eine Zusammenstellung und Ordnung des kanonischen Rechts (Kirchenrecht), welche im Jahr 1140 veröffentlicht wurde. Es lieferte den Päpsten eine rechtliche Grundlage, sich selbst gegenüber den westeuropäischen Herrschern Geltung zu verschaffen. Der Humanist Lorenzo Valla (1407 – 1457) entlarvte das Dokument als Fälschung.

Anonymes Fresko von Silvester und Konstantin aus dem 13.
Jahrhundert. San Silvestro Kapelle bei den Santi Quattro Coronati (Rom).
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lizenzfrei abrufbar unter: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Sylvester_I_and_Constantine.jpg (Zugriff am 8.12.2014)

Quelle 1b

Die Konstantinische Schenkung

(12) „Wir ordnen an: Er [der irdische Thron] soll den Prinzipat besitzen sowohl über die vorzüglichen Sitze [d.h. die Patriarchate] von Antiochia, Alexandria, Konstantinopel und Jerusalem als auch über die übrigen Kirchen im gesamten Erdkreis. […]
(17) „Daher haben wir die Entscheidung gefällt: Damit die priesterliche Krone nicht wertlos werde, sondern vielmehr an Würde und Macht des Ruhmes die irdische Kaisermacht überragt, übergeben wir, wie beschrieben wurde, sowohl unseren Palast als auch die Provinzen, Orte und Städte der Stadt Rom, Italiens bzw. aller westlichen Gegenden an den oft genannten, sehr seligen Priester, unseren Vater Silvester, den allgemeinen Papst. Wir überlassen es aber durch unsere heilige, göttliche und pragmatische Anordnung der Amtsgewalt und dem Machtbereich der Priester, die ihm [Silvester] nachfolgen, dass [beides] nach strenger kaiserlicher Überprüfung geordnet und dem Recht der heili-gen römische Kirche unterstellt werde. Dieses haben wir ihnen zugestanden."
(18) „Aus diesem Grunde habe wir es für richtig gehalten, unsere Kaisermacht und die Amtsgewalt des Königreiches in den Osten zu übertragen und in diese Gegenden überzuwechseln, um in der Provinz von Byzanz am besten Ort in unserem Namen eine Stadt zu errichten und dort unsere Kaiser-macht zu begründen. Denn es ist nicht gerecht, dass der irdische Kaiser dort Amtsgewalt ausübe, wo der Fürst der Priester und das Haupt der christlichen Religion vom himmlischen Kaiser eingesetzt wor-den ist."

Die Konstantinische Schenkung, 12, 17, 18. Constitutum Constantini, hg. von Horst Fuhrmann (MGH Fontes iuris germanici antiqui in usum scholarum separatim editi 10, ND Hannover 1984, S. 55-98). Übersetzung: Marie-Luise Heckmann (Copyright Marie-Luise Heckmann).
Online abrufbar unter URL: http://www.hs-augs-burg.de/~harsch/germanica/Chronologie... (14.04.2015).

Quelle 2

Die Streitende und Triumphierende Kirche

Die Basilika di Santa Maria Novella wurde von den Dominikanern im Jahr 1246 errichtet; ein angren-zendes Kloster kam später hinzu. Die Spanische Kapelle ist der frühere Kapitelsaal des Ordenshauses. Sie wurde zwischen 1343 und 1345 gebaut und von Andrea di Bonaluto da Firenze und seinen Helfern zwischen 1365 und 1367 ausgestaltet. Das große Fresko auf der rechten Wand zeigt die „streitende und triumphierende“ Kirche. Auf dieser Seite wird der linke Teil des Freskos dargestellt.

Die Streitende und Triumphierende Kirche. Fresko von Andrea di Bonaiuto da Firenze, Spanische Kapelle, Santa Maria Novella (Florenz) (1365-1367). Foto: Anna Van den Kerchove.

Quelle 3

Vigilantia universalis

Die Beschlüsse des Konzils von Rom im Jahr 1059 sind ein wichtiger Eckpfeiler der Gregorianischen Reform. Sie wurden zu einer Zeit gefasst, als das Papsttum versuchte, die weltlichen Mächte heraus-zufordern und die Rechtschaffenheit des Klerus wiederherzustellen. Dieses Dokument gibt die Be-schlüsse des Konzils nicht direkt wieder: Es handelt sich um einen Brief von Papst Nikolaus II. (Pontifikat von 1058 bis 1061) an die gesamte christliche Gemeinschaft. In den folgenden Ausschnitten werden die wichtigsten Themen der Gregorianischen Reform behandelt.

Durch Wachsamkeit über die Führung der umfassenden Kirche schulden wir jedermann stetige Fürsorge; und wir sorgen auch für eure Erlösung. Daher wünschen Wir, euch über all das in der vergangenen Synode von Rom von 113 Bischöfen und unter Unserer unwürdigen Leitung kanonisch Abgehandelte zu informieren; denn um eurer Erlösung Willen erwarten Wir, dass ihr dies ausführt und befehlen euch durch Unsere apostolische Hoheit, euch dessen zu unterwerfen.
1. Zunächst, sowahr es Gott will, wurde bestimmt, dass die Wahl des römischen Pontifex bei den Kardinalbischöfen liegen soll, damit, wenn irgendeiner ohne deren einstimmige kanonische Wahl, wie bereits erwähnt und dann ohne den Konsens der geistlichen Klerisei und des Laienstandes, eingesetzt werden sollte, wir einen Papst hätten, der kein Apostel sondern ein Apostat ist […].
3. Niemand soll die Messe von einem Geistlichen hören, von dem er sicher weiß, dass dieser eine Geliebte oder weibliche Gefährtin hat. Hierfür hat die Synode selbst diese Forderung unter Drohung der Exkommunikation gestellt, es heißt: „Wer auch immer, ob Priester, Diakon oder Diakonsgehilfe, in Übereinstimmung mit dem Erlass zur Keuschheit des Klerus Unseres Vorgängers Leo [IX.] in seliger Erinnerung, offen eine Geliebte nimmt oder sich weigert, eine solche zu verlassen, dem verbieten Wir als Stellvertreter des allmächtigen Gottes und mit der Befugnis des Heiligen Petrus und Paulus mit dieser Verfügung ganz und gar, Messen zu singen, oder das Evangelium oder die Briefe zu verkünden, oder im göttlichen Dienst neben denen zu verweilen, die oben genannten Erlass befolgen, oder einen Sold von der Kirche zu erhalten.“
4. Und Wir bestimmen, dass diejenigen aus den zuvor genannten Orden, die, in Gehorsam gegenüber Unserem Vorgänger, wie es sich für fromme Diener gehört, Keuschheit bewahren in den Kirchen, in denen sie ordiniert wurden, in Gemeinschaft essen, schlafen und teilen sollen, was ihnen von der Kirche gegeben ward; und Wir erwarten und befehlen, dass sie über alle Maßen danach streben sollen, das apostolische, also das gemeinsame, Leben zu leben […].
6. Kein Kirchdiener oder Presbyter soll eine Kirche vom Laienstand erlangen, weder freiwillig noch durch Bezahlung […].
9. Niemand soll simonistisch in ein geistliches Amt geweiht oder befördert werden.
10. Kein Geistlicher, ganz gleich aus welchem Orden, soll von Laien verurteilt oder aus seiner Kirche befördert werden […].
13. Kein Laie soll plötzlich in irgendein Kirchenamt geweiht werden, solange er nicht sein weltliches Kleid ablegt und Billigung erhält, nachdem er Tag für Tag in der Gesellschaft von Geistlichen lebt.

Vigilantia universalis. Trans. B. J. Kidd, Documents Illustrative of the History of the Church, vol. 3. In deutscher Übersetzung von Patrick Eger.