3. Die Frühen Jahre der Evangelisation und Christianisierung

Einführung
Das Aufkommen des Glaubens an die Auferstehen Jesu, also die Überzeugung, dass Jesus auf ewig von den Toten auferstand (im Gegensatz zu Lazarus von Bethanien), um zu Gott aufzufahren, war ein besonders wichtiger Moment in der Entstehung des Christentums. Die Auferstehung trug entscheidend dazu bei, in Jesus den verheißenen Messias zu erblicken. Ihres „Meisters“ durch den Opfertod beraubt, fanden sich die ersten Jünger in Jerusalem zusammen und organisierten sich neu, um die Nachricht vom „Auferstandenen“ und dessen Botschaft zu verbreiten. Dies war die früheste Form der Evangelisation, die sich deutlich von der Christianisierung als Prozess der Eingliederung einer Person oder eines Objekts in den christlichen Glauben unterschied. Dennoch waren die beiden Prozesse für gewöhnlich eng miteinander verknüpft.
Quelle 1

Libanius, Pro Templis

Libanios war ein griechischer Gelehrter, dessen Vita uns durch seine autobiographische Erzählung Oratio 1 überliefert wurde. Er wurde 314 in Antiochia geboren, studierte Rhetorik in Athen und be-gann eine Karriere als Gelehrter. Er war mit Julian (Kaiser von 361 – 363) befreundet, der die Ausbrei-tung des Christentums begrenzen wollte. Sein Werk ist sehr ausführlich und stellt eine wichtige Quelle für die Geschichte des 4. Jahrhunderts dar. Libanios war sehr wahrscheinlich Heide und stand dem Christentum ablehnend gegenüber, wenngleich in einer eher moderaten Weise. Nichtsdestotrotz prangerte er gewaltsame Übergriffe von Christen auf Heiden und deren Tempel an. In diesem Kontext entstand auch nach einem Angriff auf Tempel in Syrien im Jahr 385 sein Werk Pro Templis (386), eine an Theodosius gerichtete Ansprache. Er schilderte, wie Mönche Angst und Schrecken auf dem Land verbreiten und sich Grund einverleibten, der den Heiden gehörte. Die Mönche waren ein bevorzugtes Ziel für Libanios: Er hielt diese für Heuchler, die ihre Religion als Vorwand für ihre eigenen Interessen nutzten und somit unrecht handelten.

8. Ihr habt also weder die Schließung der Tempel veranlasst noch den Zutritt zu diesen verboten. Von den Tempeln und Altären habt ihr weder Feuer noch Weihrauch oder die Opferung anderer Düfte verbannt. Aber dieser Stamm der schwarzen Roben, die mehr essen als Elefanten und, was ihre Trinkgewohnheiten betrifft, überdrüssig derer sind, die ihre Saufgelage mit Gesang begleiten, die diese Ausuferungen hinter einer künstlich beschworenen Blässe verstecken – dieser Stamm, Herr, zögert nicht, die Tempel mit Stöcken, Steinen und Eisenstangen zu attackieren und manchmal gar mit Händen und Füßen zu entehren, obwohl das Gesetz noch in voller Kraft ist. Darauf folgt regelrechte Verwüstung, Dächer werden abgetragen, Mauern eingerissen, Statuen umgeworfen und Altartische umgeworfen und die Priester müssen entweder still halten oder sterben. Ist einer verwüstet, so hasten sie zum Nächsten und zu einem Dritten, und so häufen sich die Trophäen, alles wider das Gesetz. 9. Solche Skandale geschehen sogar in den Städten, sind aber auf dem Land am verbreitetsten. Groß ist die Zahl der Verbrecher, die die einzelnen Angriffe verüben, aber nach seinen unzähligen Gräuelta-ten sammelt sich das verstreute Gesindel und misst sich am Maße ihrer Aktivitäten, und ein jeder ist beschämt, wenn er nicht die grauenvollsten Untaten vorweist. So ziehen sie übers Land wie Flüsse während einer Flut. Und indem sie die Tempel verwüsten, so verwüsten sie auch die Anwesen, denn dort, wo ein Tempel aus dem Land gerissen wird, dort bleibt das Land erblindet und ermordet zurück. Die Tempel, Herr, sind die Seele des Landes: Sie erinnern an seine Besiedlung und wurden über viele Generationen der unseren überliefert.


Libanius, For the Temples, 30, 8-9. Trans. A. D. Lee, Pagans and Christians in Late Antiquity, New York, 2000. In deutscher Übersetzung von Patrick Eger.

Quelle 2

Augustinus von Hippo, Confessiones

Augustinus ist ein christlicher Theologe, dessen Leben weithin aus seiner Autobiographie, den Confessiones, die er zwischen 397 und 401 geschrieben hat, bekannt ist. Er wurde 354 in Thagaste (einer numidischen Stadt, auf deren Ruinen das heutige Souk Ahras in Algerien steht). Trotz seiner christlicher Erziehung, seine Mutter war eine fromme Christin, gab er sich während seiner Schul- und Studienzeit zuerst der Philosophie hin, bevor er später am Manichäismus Gefallen fand, eine Lehre bzw. religiöse Bewegung, die im späten 3. Jahrhundert durch den Perser Mani begründet worden war. Gleichwohl begann er in den Jahren 382 und 383 langsam am Manichäismus zu zweifeln. Diese Skepsis wurde größer, als er im Sommer des Jahres 383 nach Rom und insbesondere nach Mailand kam, wo er Ambrosius kennenlernte. Von dessen Predigten wurde er nachhaltig beeinflusst. Im August 386 fand die Gartenszene, die er in dem vorliegenden Auszug aus den Confessiones schildert, statt. Er konvertierte zum Christentum. Im April des darauffolgenden Jahres wurde er getauft und im Jahr 388 ging er zurück nach Afrika, wo er in Hippo 391 zum Priester geweiht wurde, um 395 zum Bischof ernannt zu werden. In Hippo blieb er bis zu seinem Tod im Jahr 430. Seine Werke sind bedeutend, exegetisch, theologisch und polemisch. Eine seiner wichtigsten Schriften ist De Civitate Dei („Vom Gottesstaat“), die die Grundlage der mittelalterlichen Weltanschauung darstellt. Seine Confessiones sind ein wahres Meisterwerk, in dem er sich und seine Vergangenheit genau betrachtet und den Aspekt des Übertritts zu einem anderen Glauben in Verbindung mit dem freien Willen und menschlicher Freiheit bringt. Augustinus ist eine jener Personen, die das Christentum nachhaltig beeinflusst haben.

VIII 19. In diesem heftigen Kampfe, der in meinem Herzen gewaltig wider meine Seele tobte [= ein Christ zu werden ode ein Manichäer zu bleiben], erregt[e] Körper und Geist […]. An unser Haus stieß ein Gärtchen […]. Hierhin trieb mich der Sturm meines Herzens, daß niemand den heißen Streit finden möchte, den ich mit mir auszufechten hatte, bis er einen Ausgang nähme, welchen, das wußtest du; ich aber wußte es nicht […]. 20. So verrichtete ich mit meinem Körper viel in der Glut meiner Unent-schlossenheit, was oft Menschen wollen und nicht vermögen, wenn sie entweder die Glieder nicht haben oder diese entweder gefesselt oder durch Mattigkeit kraftlos oder auf irgendeine andere Weise verhindert sind. Wenn ich mir das Haar ausraufte, mir die Stirne schlug, wenn ich mit gefalteten Hän-den das Knie umfaßte, weil ich es wollte, so tat ich es.
XII. 28. […] Ich aber warf mich am Stamme eines Feigenbaumes nieder und ließ meinen Tränen freien Lauf, und der Quell des Auges strömte hervor, ein Opfer, das du gern empfingst, und ich sprach, zwar nicht mit denselben Worten, aber doch in dein Sinne, vieles zu dir: Du, o Herr, wie so lange? Wie lange, Herr, wirst du zürnen? Sei nicht eingedenk unserer vorigen Missetat. Denn von ihr fühlte ich mich gefesselt und stöhnte laut in kläglichem Jammer. Wie lange? Wie lange? Morgen und immer wieder morgen? Warum nicht jetzt, weshalb setzt nicht diese Stunde meiner Schande ihr Ziel?
29. So sprach ich und weinte bitterlich in der Zerknirschung meines Herzens. Und siehe, da hörte ich eine Stimme aus einem benachbarten Hause in singendem Tone sagen […]: Nimm und lies! Nimm und lies! […] Und so kehrte ich eiligst zu dem Orte zurück, wo Alypius saß und wo ich bei meinem Weggehen die Schriften des Apostels Paulus zurückgelassen hatte. ich ergriff das Buch, öffnete es und las still für mich den Abschnitt, der mir zuerst in die Augen fiel: Nicht in Fressen und Saufen, nicht in Kammern und Unzucht, nicht in Hader und Neid, sondern ziehet an den Herrn Jesum Christum und wartet des Leibes, doch also, daß er nicht geil werde. Ich las nicht weiter, es war wahrlich nicht nötig, denn als-bald am Ende dieser Worte kam das Licht des Friedens über mein Herz und die Nacht des Zweifels entfloh. [Augustinus erzählt seiner Mutter davon. Sie ist hoch erfreut.] Du bekehrtest mich zu dir, so daß ich weder ein Weib begehrte noch irgendeine Hoffnung dieser Welt; jetzt stand ich auf jenem Richtscheit des Glaubens, auf welchem du mich ihr vor so viel Jahren gezeigt hattest. Du wandeltest ihre Trauer in Freude, viel reichlicher, als sie gewollt, viel herrlicher und reiner, als sie von den Enkeln meines Fleisches suchte.


Aurelius Augustinus: Bekenntnisse, Buch VIII, Kap. VIII.19 – XII.30. Übersetzung von Otto F. Lach-mann: Die Bekenntnisse des heiligen Augustinus. Leipzig : Reclam, 1888 [u.ö.] (Reclams Universal-Bibliothek ; 2791/94a). Online abrufbar unter URL:
http://www.ub.uni-freiburg.de/fileadmin/ub/referate/04/augustinus/bekennt1.htm#0812 (14.04.2015