8. Die Moschee: Heiliger Ort mit vielfältigen Funktionen
Moscheen sind, egal ob es sich um die große Freitagsmoschee (al-djum'a), die berühmten Grabmoscheen, die Universitätsmoscheen al-Azhar in Kairo und Qarawiyyin in Fès, die unauffälligen Moscheen der Souks (=Einzelhandel- und Handwerksgassen) oder die Moscheen in Wohngebieten handelt, egal ob es prestigeträchte Bauten oder bescheidene Gebetsräume sind oder ob es sich um eine Reihe von Gebetsräumen oder, eher seltener, um „Kathedral-Moscheen“ mit Minaretten handelt, das Sinnbild der muslimischen Religion nicht nur in den Ländern, in denen der Islam die Mehrheit bildet, sondern auch in den muslimischen Gemeinden der Diaspora. Woher rührt die Heiligkeit dieser religiösen Orte? Welche Rolle spielt die Moschee in der muslimischen Verehrung? Gibt es eine einheitliche architektonische Bauweise? Gibt es gleichbleibende Elemente in der Strukturierung des Raumes?
Die Lehre des Gabriel (Al-Tabari)
Während seines Besuchs sagte Gabriel zum Propheten: „Frage nach Wasser, bitte mich darum, dir die rituelle Reinigung beizubringen, das heißt, wie du dir deine Hände waschen sollst. Bitte mich darum, dir das Beten beizubringen, das heißt, wie du Allah verehren sollst.“ So bat der Prophet um Wasser und Gabriel zeigte ihm, wie er seine Hände waschen und beten sollte.
Al-Tabarī, Geschichte der Propheten, Könige und Kalifen. Ins Deutsche übersetzt von Kerstin Bachmeier, Kap. III, 68.
Die Lehre des Gabriel (Ibn Ishaq)
Als dem Gesandten seine erste rituelle Reinigung aufgetragen wurde, kam Gabriel zu ihm auf die Höhen Mekkas und grub mit seiner Ferse ein Loch am Rande des Tales, wo eine Quelle entsprang. Gabriel vollzog die rituelle Reinigung vor den Augen des Gesandten. Er wollte ihm zeigen, wie er sich vor dem Gebet zu reinigen hatte. Dann vollzog der Gesandte die rituelle Reinigung wie Gabriel es ihm gezeigt hatte. Anschließend beteten Gabriel und der Gesandte gemeinsam.
Ibn-Isḥāq, Das Leben des Propheten (bearbeitet von Ibn Hischām). Ins Deutsche übersetzt von Kerstin Bachmeier.
Im Koran ist die Verpflichtung zu beten eine Handlung der Verehrung. Das kanonische Gebet Salat, die zweite „Säule“ des Islams, gleicht den Riten, die Gabriel dem Propheten lehrte. Beten ist ein vorgeschriebenes Ritual, ein Dienst an Gott, der von der Tradition vorgegeben und im Gesetz verankert ist. Gebetet wird in einem Zustand der rituellen Reinheit.
Der Mihrab der Moschee von Kairouan
http://www.qantara-med.org/qantara4/public/show_video.php?vi_id=48
(19/12/2014)
Der Mihrab, prachtvoll wie er in Cordoba zu sehen ist, aber auch in seiner einfacheren oder gewölbten Form, ist die bedeutendste architektonische Innovation in der religiösen Baukunst großer Moscheen. In der großen Moschee von Kairouan ist der Mihrab mit seinen mehr als vier Metern Höhe und Dekor aus geformtem Marmor, Porzellan und metallenen Spiegeln aus dem 9. Jahrhundert eine majestätische und prachtvolle Nische. Auf dem oberen Bauelement befindet sich eine hölzerne Halbkuppel. Außerdem finden sich dort arabische Inschriften in der sog. kufischen Schrift, Verse aus dem Koran und Segenswünsche. Die Architektur der großen Moschee von Kairouan hatte großen Einfluss auf die Bauweise der in Maghreb entdeckten Moscheen. Sie galt, ebenso wie al-Azhar in Kairo, als Zentrum für die Verbreitung der malikitischen Ideen (siehe Modul Islam I, Seite 7) und als wichtiger Ort für die Lehre der sunnitischen Religion.
Die Kebir-Jami-Moschee in Simferopol (Krim)
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Im Rahmen der Lizenz Freie Kunst veröffentlicht
Bild unter URL:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Simferopol_04-14_img14_Kebir-Jami_Mosque.jpg
Die Moschee kann auch einen Ort der Erinnerung und des Wiederaufbaus einer ethnischen Identität verkörpern; dies ist beispielsweise der Fall bei der „Weißen Moschee“ von Simferopol, der moderne Name der Stadt, die einst von den Tataren auf der Krim gegründet wurde. Der tatarische Name der Stadt ist Aqmescit und bedeutet weiße Moschee. Die Tataren waren eine sunnitische und türkisch-sprachige Minderheit auf der Krim (12% der Bevölkerung), wo sie im 15. Jahrhundert ein Khanat, ein Königreich gründeten. Nach der Aneignung durch Russland wurden die Tataren Opfer der Russifizierungspolitik der Zaren und der Deportation nach Zentralasien, die Stalin 1944 als kollektive Strafe für die der deutschen Armee angeblich geleisteten Hilfe anordnete. Seit den 1980er Jahren sind viele Krim-Tataren aus der Deportation wieder zurückgekehrt.
Die älteste Moschee in der Hauptstadt der Krim ist Kebir Jami (frühes 16. Jahrhundert). Sie wurde den Tataren 1989 zurückgegeben und wieder aufgebaut. Viele „historische“ Moscheen hingegen sind immer noch nicht übergeben. Slimane Zeghidour ist ein Kommentator für TV5 Monde und ein Wissenschaftler am Institute of International and Strategic Relations (IRIS).
Source 3b:
Äußerungen von Slimane Zeghidour
Bei ihrer Rückkehr sind die Tataren Fremde in ihrem eigenen Land [...] Sie finden ihre Häuser und ihr Land von Russen oder Ukrainern besetzt und ihre Moscheen werden als Clubs oder Restaurants genutzt. Um zu überleben, müssen sie kleine Hütten in den Randgebieten der Städte auf der Krim bauen. In den Augen des Großteils der Russen (60% der Bevölkerung) sind sie Bürger zweiter Klasse und werden nach wie vor als „Verräter“ betrachtet. Diskriminierung ist an der Tagesordnung, insbesondere in der Arbeitswelt. Die Tataren sind ausgeschlossen und können öffentliche Dienstleistungen, die Verwaltung oder die Polizei nicht in Anspruch nehmen.
Interview mit Slimane Zeghidour, erschienen in Le Point 20/05/2014. Ins Deutsche übersetzt von Kerstin Bachmeier.
Die Moschee kann auch einen Ort der Erinnerung und des Wiederaufbaus einer ethnischen Identität verkörpern; dies ist beispielsweise der Fall bei der „Weißen Moschee“ von Simferopol, der moderne Name der Stadt, die einst von den Tataren auf der Krim gegründet wurde. Der tatarische Name der Stadt ist Aqmescit und bedeutet weiße Moschee. Die Tataren waren eine sunnitische und türkisch-sprachige Minderheit auf der Krim (12% der Bevölkerung), wo sie im 15. Jahrhundert ein Khanat, ein Königreich gründeten. Nach der Aneignung durch Russland wurden die Tataren Opfer der Russifizierungspolitik der Zaren und der Deportation nach Zentralasien, die Stalin 1944 als kollektive Strafe für die der deutschen Armee angeblich geleisteten Hilfe anordnete. Seit den 1980er Jahren sind viele Krim-Tataren aus der Deportation wieder zurückgekehrt.
Die älteste Moschee in der Hauptstadt der Krim ist Kebir Jami (frühes 16. Jahrhundert). Sie wurde den Tataren 1989 zurückgegeben und wieder aufgebaut. Viele „historische“ Moscheen hingegen sind immer noch nicht übergeben. Slimane Zeghidour ist ein Kommentator für TV5 Monde und ein Wissenschaftler am Institute of International and Strategic Relations (IRIS).