5. Die sagenumwobenen Bestiarien der islamischen Kultur
In der islamischen Kultur nehmen Tiere einen wichtigen Platz ein: Sie werden in den Grundlagentexten erwähnt, spielen bei der Verführung von Adam und Eva eine wichtige Rolle oder begleiten den Propheten Salomon. Wie auch im Christentum repräsentieren sie das Böse als moralische Allegorie oder bringen moralische oder spirituelle Ziele zum Ausdruck. Inspiriert von der großen Vielfalt des Kunsthandwerks im Islam sind Tiere auch in Erzählungen und Gedichten zu finden. Letztendlich wird auch die Rechtslage zu Tieren als Nahrungsmittel von muslimischen Juristen umfassend diskutiert und ist weiterhin ein wichtiges Thema in der Bekräftigung der muslimischen Identität. Die vielfältigen Bestiarien/Sammlungen mythischer Tiere in der islamischen Kultur basieren auf geschichtlichen Elementen und antiken Mythen sowie der nahöstlichen/orientalischen monotheistischen Tradition. Der Pfau ist ein hervorragendes Beispiel dafür.
Der Wiedehopf belehrt die Vögel
The peacock is a decorative motif that is very common in Islamic art: it can be found embroidered with shimmering colours on precious fabrics, etched on bronze or silver water pitchers, or painted on Ottoman ceramic dishes. The imaginary animal Buraq, the Prophet’s legendary riding horse during his night journey to Jerusalem, is depicted with a peacock’s tail. In the Persian miniature illustrating The Conference of the Birds, the artist Habib-All Savadji Rifah, who was a contemporary to the powerful Safavid dynasty, painted in the centre-right part of the image a small hoopoe addressing the group of birds in the middle with the peacock spreading out its feathered wings. A goat on the mountain and a figure, both without any relation to the story, are contemplating the scene.
Persian illustration from The Conference of the Birds by Habib-Allah Savadji (approximately 1600).
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Bild unter URL: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Conference_of_the_birds.jpg
Der Pfau in Die Konferenz der Vögel
Dann kam der Pfau in seinem goldenen Federkleid, gespickt mit hunderten, nein, was sage ich, tausenden Farben. Wie eine junge Braut präsentierte er sich in all seiner Schönheit. Jede seiner Federn verlieh seiner Pracht Ausdruck. Der Maler der unsichtbaren Welt selbst, so sprach er, hatte seinen Pinsel an die Dschinn übergeben, um den Pfau zu schaffen. [Der Pfau sagte:] „Obwohl ich der Gabriel unter den Vögeln bin, hielt das Schicksal Böses für mich bereit. Irgendwann wurde eine falsche Schlange mein Begleiter, sodass ich in Schmach aus dem irdischen Paradies fiel. Als ich somit meine Verehrung einsam an einem anderen Ort fortsetzen musste, waren meine Beine an den Boden gefesselt, auf dem ich stand. Dennoch bin ich entschlossen, mit Hilfe eines Begleiters meinen Weg aus diesem dunklen Ort und in den Himmel zu finden. Ich strebe nicht nach dem König. Mich bewegen zu können, wäre schon genug für mich. Wieso sollte der Simurgh sich überhaupt für mich interessieren? Das höchste Paradies genügt mir. Es gibt für mich in dieser Welt keine anderen Dinge zu tun; wenn ich doch nur noch einmal in den Himmel könnte.“ Der Wiedehopf antwortete: „Oh du, der du den rechten Weg willentlich verlässt! Sei dir bewusst, dass derjenige, der den Palast dieses Königs begehrt, der so viel besser ist als der Ort, den du erwähnst, nichts Besseres zu tun hat, als in die Nähe davon zu gelangen. Dies ist das Zuhause der Seele, dies ist die Ewigkeit, das Objekt unserer Begierde, das Zuhause des Herzens. Kurz: Dies ist der Sitz der Wahrheit. Das Höchste ist das weite Meer und das Paradies der irdischen Freuden ist nur ein kleiner Tropfen davon. Wer das Meer besitzt, besitzt auch den Tropfen. All das, was nicht zum Meer gehört, ist Wahnsinn. Wieso würdest du nur einen abendlichen Tautropfen begehren, wenn du das Meer besitzen kannst? Kann derjenige, der die Geheimnisse der Sonne kennt, lediglich ein Staubkorn betrachten? Kann derjenige, der alles hat, lediglich mit einem Teil davon glücklich sein? Braucht die Seele die Glieder des Körpers? Wenn du ein perfekter Mensch bist, betrachte das Ganze, suche das Ganze, sei das Ganze, entscheide dich für das Ganze.
Der Pfau in Die Konferenz der Vögel von Fariduddin Attar (Farid al-Din 'Attār) (12tes Jahrhundert). Ins Deutsche übersetzt von Kerstin Bachmeier.
Das berühmte Buch des Mystikers Attar (12./13. Jahrhundert) Mantiq al tayr (Die Konferenz der Vögel) ist eine Initiationsgeschichte, die den Weg zur perfekten Verehrung Gottes lehrt. Der Titel des Gedichts ist vom Koran inspiriert (27, 16), der dem Königsprophet Salomon das Beherrschen der Sprache der Vögel nachsagt. Die Reise der Vögel ist kein neues Thema: Es ist insbesondere von einer mystischen Erzählung inspiriert, die dem persischen Gelehrten al-Ghazzali (11. Jahrhundert) zugeschrieben wird. In Die Konferenz der Vögel will ein Vogelschwarm einen König wählen. Der anführende Wiedehopf jedoch hält die tausenden von Vögeln davon ab, da der Simurgh bereits ihr rechtmäßiger König ist. Jeder Vogel repräsentiert dabei bestimmte Charaktere. Der Pfau etwa symbolisiert die von Satan verführten „verlorenen Seelen“. Eingeschüchtert von den vom Wiedehopf angekündigten Prüfungen geben die meisten Vögel auf. Um den Vogelkönig Simurgh herauszufordern, müssen die Vögel sieben Täler durchqueren, die die Stufen zu Gott symbolisieren. Nur 30 Vögel überleben. Nachdem die Vögel letztendlich vom Vogelkönig akzeptiert werden, erkennen sie sich selbst im Simurgh wieder und verlieren sich in ihm „für immer und ewig“.
Die Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies
Miniaturbild
Israelische Nationalbibliothek in Jerusalem Yah. Ms. Ar.115
Bild unter URL: http://www.tali-virtualmidrash.org.il/ArtEng.aspx?art=410
(19/12/2014)
Die Schlange nach al-Tabari
Erzählungen zufolge gab es im Paradies kein schöneres Tier als die Schlange. Nur Adam war noch schöner. Iblis jedoch machte sich auf die Suche nach der Schlange und sagte zu ihr: Ich möchte mit dir sprechen und dir einen Rat geben. Lass mich das Paradies heimlich betreten [...]. Die Schlange öffnete ihren Mund und lies Iblis zu Adam ins Paradies eintreten.
Al-Tabari, Geschichte der Propheten und Könige, Kapitel XXVII. Ins Deutsche übersetzt von Kerstin Bachmeier. Presentation
Aus religiöser Sicht ist der Pfau ein Symbol der Schande und des schlechten Benehmens. Arrogant wie Iblis, der sich weigerte vor Adam auf die Knie zu fallen, ist der Pfau wegen seiner arroganten Art, die Federn zu spreizen, aus theologischen Gründen in Ungnade gefallen. Einem weit verbreiteten Mythos zufolge verbündete sich der Pfau mit Iblis, der am Eingang zum Paradies stand und um jeden Preis Zutritt zu erlangen versuchte (vgl. Modul Islam II, Seite 3). Als Iblis den Pfau Schlangen essen sah, verwandelte er sich selbst in eine Schlange. Der Pfau verschlang die Schlange und so betrat Iblis den paradiesischen Garten Dschanna, wo Adam und Hawwa (Eva) wohnten. Beide mussten keinen Durst leiden oder sich ihrer Blöße schämen. Das Paar konnte frische Früchte essen (2, 33 und 7, 18) mit der Ausnahme der Frucht eines Baumes (19, 24). Der Teufel führte sie jedoch in Versuchung (2, 30-37, 19-21). Ein teuflisches Flüstern versprach ihnen ewiges Leben, Macht und ein engelsgleiches Aussehen und Gemüt. Der Teufel zeigte ihnen „den Baum der Unsterblichkeit und des ewigen Königreichs“ (20, 118), verführte sie (7, 21) und „verursachte ihren Fehltritt“ (2, 43). Nachdem sie von der Frucht probiert hatten, sahen sie ihre Blöße und mussten sich „Kleider aus den Blättern des Paradieses nähen“ (20, 119). Das Paar war „auf die unterste Ebene“ gesunken und wurde für eine Zeit (2, 34) auf die Erde verbannt (7, 23), um auf diese Weise von Gott auf den richtigen Weg gebracht zu werden. Nach dem Fall landete Adam in Arabien, in der trockenen und steinigen Wüste Arafat. Dort fand und „erkannte“ ihn Eva. Im Beisein des Pfaus waren Adam und Eva der Versuchung erlegen und aus dem Paradies verbannt worden. Al-Muqqadasi (arabischer Geograph aus dem 10. Jahrhundert) hatte Mitleid mit dem Pfau und sah ihn als das Opfer der Durchtriebenheit des Teufels: „Wenn er sein Federkleid besieht, erinnert es ihn an das Paradies und wenn er auf seine Füße schaut, erinnert er sich seiner Schuld.“
Der Pfau im Jesidentum
Frei zugänglich
http://www.cais-soas.com/CAIS/virtual_museum/image_library.htm
Bild unter URL: http://www.cais-soas.com/CAIS/Images2/Misc/Yazidi_symbol.gif
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Der Pfau wird im Jesidentum verehrt. Seine Anhänger sind auf kleine Gemeinden in Syrien, der Türkei, Armenien und im Iran verteilt. Der Großteil lebt im irakischen Kurdistan. In jüngster Zeit sind viele nach Deutschland ausgewandert. Die monotheistischen Ansichten dieser Bewegung wurden zwischen dem 12. und dem 15. Jahrhundert begründet. Massignon beschreibt diese Bewegung als sunnitische und anti-schiitische Sekte, die „für den kurdischen Islam typisch sei“. Der Ursprung ihres Namens ist umstritten und ihre Religion ist relativ unbekannt. Ein unendlich guter Gott vertraute sieben Engeln (melek) die Menschheit an. Nach ihrem Herabstieg auf die Erde schufen sie Gesetze, halfen den Menschen und kehrten in den Himmel zurück. Unter den Menschen ließen sie einige Scheiche auf der Erde zurück. Der wichtigste Engel und das erste heilige Wesen ist der schöne Pfau, dessen schimmernder Schwanz wie tausend Lichter leuchtet. Während ihrer großen jährlichen Feier tragen die Jesiden die heiligen Bilder der sieben Sindjaqs herum, auf denen ein Pfau zu sehen ist.